Pharmakologie und Toxikologie neu gedacht
Pharmakologie und Toxikologie neu gedacht
- Datum:
- Ort:
- München
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Bevor Arzneimittel zur Anwendung am Menschen zugelassen werden, müssen in der Entwicklung Studien zur Wirksamkeit und Unbedenklichkeit durchgeführt werden. Das Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Bundeswehr in München arbeitet dazu an Modellen, die dem wesentlichen Aufbau einer Lunge entsprechen, und entwickelt diese weiter.
COPD, Lungenfibrose, Asthma, Lungenkrebs: Lungenerkrankungen gewinnen in den letzten Jahren nicht nur durch COVID-19Coronavirus Disease 2019 in der klinischen Betrachtung dramatisch an Bedeutung und zählen zu den am weitesten verbreiteten Todesursachen weltweit. Umso wichtiger ist es, neue Behandlungsmethoden und Medikamente zu entwickeln. Das Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Bundeswehr in München hat seinen wissenschaftlichen Fokus auf dem medizinischen Schutz vor chemischen Waffen und forscht dazu mit sogenannten „precision cut lung slices“ (PCLS). Diese sind Präzisionslungenschnitte, an denen die Wirkungen sowohl von schädigenden Substanzen als auch von Wirkstoffkandidaten beobachtet werden kann.
Anzahl an Gewebeentnahmen verringern
„PCLS sind in der Forschung deshalb so interessant, da wir dadurch die Anzahl der eingesetzten Tiere zur Gewinnung des Lungengewebes minimieren können. Anstatt eine Lunge für einen Versuch einzusetzen, kann man circa 200 PCLS aus einer Rattenlunge herstellen und so viel mehr Ergebnisse generieren“, erklärt Oberfeldarzt PDPrivatdozent Dr. Timo Wille, Projektverantwortlicher am Institut. Dem 3R-Prinzip der Forschung, „replacement, reduction, refinement“, also der Ersatz, die Reduktion und die Verbesserung der Arbeit an Tieren wird somit Rechnung getragen.
Die Herstellung von PCLS ist dabei aufwendig: Das sehr weiche Lungengewebe wird in einem speziellen Verfahren “schnittfest“ gemacht und mit einem automatisierten Schneideapparat präzise in 250 Mikrometer dünne Scheiben geschnitten. Epithel-, Endothel- und Immunzellen, glatte Muskulatur und Nervenfasern: die natürliche dreidimensionale Lungenarchitektur bleibt erhalten. Der Gewebeverbund ist biologisch aktiv und reagiert auf externe Reize, wie z.B. die Exposition mit chemischen Kampfstoffen. Mit verschiedenen Methoden können selbst kleinste Veränderungen wie die Freisetzung von Botenstoffen und Biomarkern nachgewiesen werden und so Rückschlüsse auf Wirkmechanismen von Giften und Wirkstoffkandidaten gezogen werden.
Internationale Anerkennung und Kooperationen
Am Institut wurde eine Vielzahl an PCLS-Untersuchungen durchgeführt und publiziert. Auf dem American Thoracic Society (ATS) Meeting 2022 präsentierte Oberfeldarzt PDPrivatdozent Dr. Wille die aktuellen Ergebnisse einem hochkarätig besetzten internationalem PCLS-Fachgremium. Im Fokus stand dabei die entwickelte Lagermethode des Instituts: Durch neue standardisierte Verfahren kann Gewebe in speziellen Konservierungslösungen bis zu vier Wochen bei Kühlschranktemperaturen eingelagert werden, ohne dass es zu nennenswerten Funktionsverlusten der PCLS kommt. Auch das ist Sanitätsdienst: International anerkannte Spitzenforschung zur Minimierung von Tierversuchen.