Führen in der Pandemie #003 – Zeit für Chancen
Führen in der Pandemie #003 – Zeit für Chancen
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- Koblenz
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Die Corona-Pandemie geht mit gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen einher und verändert Arbeit, Dienst und gesamtgesellschaftliches Leben fundamental. In Folge #003 unserer Serie „Führen in der Pandemie“ nehmen wir das Thema Gleichstellung in den Blick. Ruth Schmahl-Kieven, zivile Gleichstellungsbeauftragte am Zentrum Innere Führung, war die Interviewpartnerin von IF-Redakteur Wilke Rohde.
5 Fragen an Ruth Schmahl-Kieven

Die Bundeswehr befindet sich spiegelbildlich zum ganzen Land im Krisenmodus. Sehen Sie die Situation der Corona-Pandemie eher als eine Chance oder Gefahr für die Rolle und mögliche Karrierechancen von Frauen in der Bundeswehr?

Wir leben in einem sehr dynamischen und schnelllebigen soziokulturellen Umfeld. Diese komplexen Strukturen nur auf den Blick von Karrieremöglichkeiten in der Bundeswehr herunter zu brechen, wird den Frauen nicht gerecht. Ohne die Öffnung aller militärischen Laufbahnen für Frauen vor knapp 20 Jahren und dem Ausbau der überwiegend mit zivilen Beschäftigten besetzten Institutionen innerhalb der Bundeswehr, hätten wir heute nicht ein Leistungsspektrum, das – bei aller Kritik – uns auch große internationale Anerkennung zukommen lässt.
Es kommt jetzt im Wesentlichen darauf an, die Chancen aus der Krise zu identifizieren. Hierunter ist nicht nur der Ausbau von Telearbeit und die Gewährleistung der Kinderbetreuung zu verstehen. In diesen Prozess der Chancen-Identifikation sind vor allem die Frauen einzubinden, da ich hier ein großes Potential an Verbesserungen für die Ablauforganisation (z. B. in Form von alternativen Arbeitsprozessen) oder bei der fachlich-inhaltlichen Ausrichtung, angefangen mit der ITInformationstechnik-Ausstattung bis zu Kommunikationsprozessen im Einsatzgeschehen, der Bundeswehr sehe.
Was muss die Bundeswehr als ohnehin männerdominierte Hierarchieorganisation aus Ihrer Sicht tun, um ihren Anspruch auf Chancengleichheit und Förderung von Frauen und Minderheiten aufrechtzuerhalten und auszubauen?

Zunächst einmal basiert jede Form einer erfolgreichen Streitkraft auf einer starken Hierarchieorganisation. Bisher geht dies in der Regel mit einem höheren Männeranteil einher. Ich glaube nicht, dass sich dies für die operativ agierenden Einheiten umkehren wird. Es stellt sich aber die Frage: „Welchen Mehrwert wird durch Vielfalt in die Organisation eingebracht und an welchen Stellen können neue bzw. alternative Kompetenzen zielführend integriert werden?“ Die Frage nach den Zielen ist auf politischer Ebene zu beantworten. Frauenförderung, Vielfalt und Chancengleichheit steht für alle Ressorts der Regierung auf der Agenda.
Wenn Chancengleichheit von Frauen und Minderheiten ausgebaut werden soll, dann müssen wir endlich anfangen zu identifizieren, welche Kompetenzen durch die angesprochenen Gruppen in das Portfolio der Bundeswehr eingebracht werden können. Vorhandene Hürden in den Denkstrukturen, die häufig durch die militärische Erziehung aus den 1970er/80er Jahren noch geprägt ist, müssen aufgelöst werden. Eine der zentralen Aufgaben wird darin bestehen, „unconcious bias“ [Anm d.Red.: unbewusste Vorteile, erlernte Stereotypen] mit Hilfe von strukturellen Veränderungen zu durchbrechen. Das ist ein langer Prozess, den wir bereits eingeschlagen haben.