Nachgefragt

„Der Donbass ist das Grab der russischen Infanterie“

„Der Donbass ist das Grab der russischen Infanterie“

Datum:
Ort:
Berlin
Lesedauer:
3 MIN

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Der Ukrainekrieg tobt seit fast acht Monaten. Die ukrainischen Streitkräfte setzen den Invasoren zu. Wegen anhaltend hoher Verluste musste Russland sogar teilmobilmachen – wendet sich das Blatt erneut? Oberst i. G. Andreas Schreiber unterrichtet an der Führungsakademie der Bundeswehr. In „Nachgefragt“ ordnet er die Entwicklungen ein.

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Oberst Andreas Schreiber ist Dozent für militärisches Nachrichtenwesen und Cyber-Operationen an der Führungsakademie der Bundeswehr. „Nachgefragt“-Moderatorin Oberleutnant Lara Weyland spricht mit ihm über die militärische Lage in der Ukraine.

„Wir haben im Prinzip zwei Bereiche, wo zurzeit aktiv gekämpft wird: Nämlich im Süden im Bereich Cherson und oben im Norden oberhalb von Lyman und Siwerskyj Donez“, sagt Oberst i. G. Andreas Schreiber, Dozent für militärisches Nachrichtenwesen an der Führungsakademie der Bundeswehr. Im Norden, im Donbass, sei die Ukraine etwa 70 Kilometer vorgestoßen, im Süden rund 40 Kilometer. „Das ist ganz erheblich für den Kriegsverlauf“, so der Oberst zu „Nachgefragt“-Moderatorin Oberleutnant Lara Weyland.

Desaströse Lage Russlands bei Personal und Material 

Russland hatte kürzlich rund 300.000 Männer mobilisiert, um die Gegenoffensive der Ukraine zu stoppen. „Bezüglich der russischen Strategie sind wir zurzeit alle ein bisschen ratlos“, sagt Schreiber. So viele Soldaten neu auszurüsten und auszubilden, sei ein logistischer Kraftakt. „Und das nach einem mittlerweile achtmonatigen Kriegsverlauf, in dem jede Menge Material verloren gegangen ist, in dem jede Menge Ausbilder gefallen sind, in dem jede Menge Hochwertpersonal nicht mehr zur Verfügung steht, um genau diese Truppe ausbilden zu können. Das wird schon ausgesprochen schwierig werden.“ 

Er rechne nicht mit einem großem Kampfkraftgewinn der russischen Streitkräfte, so der Oberst. „Kurzfristig sowieso nicht, aber auch mittelfristig nicht.“ Die bisher erlittenen Verluste an ausgebildeten Soldaten, aber auch an modernem Rüstungsmaterial, seien kaum zu kompensieren. „Die russische Lage – personell wie auch materiell – ist aus meiner Bewertung heraus desaströs“, sagt der Oberst. „Man kann wohl sagen, dass der Donbass das Grab der russischen Infanterie ist.“
 

Russland kämpft mit zusammengewürfelten Einheiten

Es sei ein Indiz der Verzweiflung, dass neben der regulären Armee noch andere Kräfte eingesetzt würden, so Schreiber. „Alleine für die Innenkommunikation ist es ein Desaster, dass Russland jetzt im Grunde genommen zugeben muss, dass ohne den Einsatz von Wagner-Söldnern und ohne den Einsatz der tschetschenischen Kämpfer nichts mehr geht.“ 

Russland sei mit zwölf Armeen angetreten, um den Krieg schnell zu gewinnen – doch nun kämpfe „ein Flickenteppich von Einheiten die ganze Front entlang, die sich gegenseitig nicht kennen, die nicht wissen, was der Nachbar kann und wer der Nachbar überhaupt ist.“

Zudem kämpften die russischen Streitkräfte kaum im Gefecht der verbundenen Waffen, der „Königsdisziplin der Landkriegsführung seit Ende des Zweiten Weltkriegs.“ Vor dem Ukrainekrieg sei sowohl im Westen als auch in Russland davon ausgegangen worden, dass Russland den gemeinsamen Einsatz ganz verschiedener Waffengattungen beherrschen würde. „Das ist einer der größten Fehlschlüsse gewesen hinsichtlich der Einsatzbereitschaft und des Gefechtswerts der Russen. Offensichtlich können sie das – wenn überhaupt – nur in sehr geringem Umfang.“

Holt Ukraine sich die Krim zurück?

Er gehe davon aus, dass die Ukraine ihre Gegenoffensive weiter vorantreiben werde, sobald sie ihre Front konsolidiert und ihre Truppen nachversorgt habe, meint Oberst Schreiber. „Auf vielen russischsprachigen Telegramkanälen ist die größte Angst, dass aus dem Raum Saporischschja eine dritte Angriffsachse auf das Asowsche Meer eröffnet wird, damit der gesamte Anteil der Südfront abgeschnitten wird und dann – wenn das erfolgreich sein sollte – auch die Krim und alles, was dahinter hängt, nicht mehr zu halten ist.“
 

von Timo Kather

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