Nachgefragt

„Nach meiner Auffassung ist Russland gescheitert“

„Nach meiner Auffassung ist Russland gescheitert“

Datum:
Ort:
Berlin
Lesedauer:
3 MIN

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Das Kriegsjahr 2022 neigt sich dem Ende zu. Nach dem ersten Schock über die russische Invasion gewannen die ukrainischen Streitkräfte zuletzt Boden zurück. Aber Russland antwortet mit Angriffen auf die kritische Infrastruktur des Nachbarn. Der Leiter des Sonderstabes Ukraine im Verteidigungsministerium, Brigadegeneral Dr. Christian Freuding, zieht in „Nachgefragt“ Bilanz.

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Freuding beobachtet für das Verteidigungsministerium die Entwicklungen im Ukrainekrieg. Mit „Nachgefragt“-Moderatorin, Frau Hauptmann Janet Watson, zieht er eine Bilanz der ersten zehn Kriegsmonate – und liefert einen Ausblick auf das kommende Jahr.

„Nach meiner Auffassung ist Russland gescheitert: Russland ist strategisch gescheitert, Russland ist operativ gescheitert und Russland ist moralisch gescheitert“, sagt der Brigadegeneral zu „Nachgefragt“-Moderatorin, Frau Hauptmann Janet Watson. Der beabsichtigte Regimewechsel in der Ukraine sei misslungen, es gebe unzählige Tote, zudem sei Russland wirtschaftlich und politisch isoliert.

Auch taktisch sei Russland zehn Monate nach dem Überfall auf die Ukraine in der Defensive, so der Leiter des Sonderstabes Ukraine im Verteidigungsministerium. Es sei aber schwer zu prognostizieren, wie lange das kriegerische Potenzial der russischen Streitkräfte noch reichen werde. Russland habe etwa 100.000 Gefallene und zwei- bis dreimal so viele Verwundete zu verzeichnen. Hinzu kämen die enormen Verluste an Kampffahrzeugen. „Die Landstreitkräfte sind in ihrem Potenzial massiv reduziert.“

Dennoch dürfe Russland nicht unterschätzt werden, so Freuding. „Russland hat immer noch ein unglaubliches Reservoir an Material und an Personal.“ Eine weitere Teilmobilmachung sei nicht auszuschließen, auch die Luft- und die Seestreitkräfte seien bisher nur begrenzt in die Kriegshandlungen einbezogen worden. Hinzu komme das nukleare Potenzial Russlands.

Verlustreiche Kämpfe in Bachmut

Derzeit sei die Lage an der Front relativ statisch, so Freuding. Es werde zwar gekämpft, aber überwiegend in niedriger Intensität – allerdings mit einer Ausnahme: „Gefechtshandlungen von hoher Intensität haben wir im Zentral-Donbass, insbesondere im Raum Bachmut.“ Von dort kämen erschütternde Bilder, die an den Ersten Weltkrieg erinnerten. „Da werden jeden Tag Artillerieduelle ausgetragen. Man sieht Soldaten in Gräben auf beiden Seiten, teilweise bis zum Knie im Wasser watend.“

Die Kämpfe konzentrierten sich auf eine 100 bis 140 Kilometer lange Frontlinie rund um die Stadt Bachmut, sagt der Brigadegeneral. Die Stadt sei inzwischen von hoher symbolischer Bedeutung für Russland. Daher würden hauptsächlich Söldner der Wagner-Gruppe in den Kämpfen eingesetzt.

„Dort will man zeigen, dass man stärker, besser und erfolgreicher ist als die regulären russischen Streitkräfte – zu einem unglaublich hohen Blutzoll.“ Die Stadt solle mit einer Zangenbewegung umfasst und dann eingenommen werden. Die ukrainischen Verteidiger hielten aber stand.  „Wir haben Erkenntnisse darüber, dass es Tage gibt, an denen bis zu 500 Wagner-Kräfte zu Tode kommen.“

Ukrainische Soldaten besser für Winter ausgerüstet

Die ukrainischen Streitkräfte können bei den Kämpfen auf Winterausrüstung aus dem Westen zurückgreifen, während die russischen Soldaten ungeschützt vor Kälte und Nässe mit teils veralteter Ausrüstung kämpfen müssten. Durch die bessere persönliche Ausstattung seien die ukrainischen Soldatinnen und Soldaten gegenüber ihren Kontrahenten aus Russland im Winterkampf „eindeutig im Vorteil“, so Freuding. Auch Deutschland habe mit einem umfangreichen Winterpaket mit Schutzartikeln und Kleidung dazu beigetragen.

Es sei bewundernswert, was die ukrainischen Kämpfenden seit Beginn des Krieges am 24. Februar leisteten, fährt er fort. Sie hätten mit zunächst überschaubaren Mitteln die russische Invasion gestoppt, die Initiative ergriffen und schließlich bedeutende Teile ihres Landes zurückgewonnen.

Ob die Ukraine den Krieg durchhalten und für sich entscheiden könne, hänge auch von der weiteren Unterstützung durch den Westen ab, so der Leiter des Sonderstabes Ukraine. „Und da ist unsere Botschaft eindeutig: Wir werden die Ukraine unterstützen, solange es erforderlich ist, mit all unserer Kraft, mit dem, was uns möglich ist.“

von Timo Kather

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