Nachgefragt

„Deutschland steht im Fadenkreuz hybrider Akteure“

„Deutschland steht im Fadenkreuz hybrider Akteure“

Datum:
Ort:
Berlin
Lesedauer:
4 MIN

Moderne Kriege werden nicht zwangsläufig auf dem Gefechtsfeld entschieden. In der hybriden Kriegsführung werden militärische, propagandistische, wirtschaftliche und kulturelle Mittel kombiniert, um den Gegner zu bekämpfen. Wie diese Art der Kriegsführung funktioniert und was dagegen zu tun ist, erklärt ein Fachmann der Bundeswehr.

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Oberst Johann Schmid vom Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr spricht mit „Nachgefragt“-Moderatorin Frau Major Caroline Grosse über Methoden hybrider Kriegsführung und ihren Einsatz in der Ukraine und im Nahen Osten.

Die hybride Kriegsführung könne auch als „Grauzonenkriegsführung“ beschrieben werden, sagt Oberst i. G. Johann Schmid. „Wir haben es hier mit einer Form der Kriegsführung zu tun, die nicht nur die militärische Domäne nutzt, sondern auch eine Vielzahl von nichtmilitärischen Bereichen“, so der Experte für eben jene hybride Kriegsführung am Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr. „Der militärische Kampf ist das eine, der Propagandakrieg das andere. Der Wirtschaftskrieg kommt vielleicht ergänzend dazu, und der gesellschaftliche Kulturkampf mag das vielleicht abrunden.“

Es geht um Macht und Interessen

In der hybriden Kriegsführung könnten auch „weiche Faktoren wie Legitimität und Moral“ eine wichtige Rolle spielen, so Schmid im „Nachgefragt“-Gespräch mit der Moderatorin, Frau Major Caroline Grosse: „In dem Moment, wo sie den Willen, einen Krieg zu führen oder fortzusetzen, politisch beeinflussen können.“ Insgesamt zeichne sich die hybride Kriegsführung durch die unorthodoxe Kombination unterschiedlicher Methoden und Mittel aus.

Die Ziele der hybriden Kriegsführung würden sich dabei nicht von anderen Kriegsformen unterscheiden, so der Militärforscher.  „Es geht um Macht, es geht um die Implementierung von politischen Interessen, es geht letztendlich darum, den Gegner zur Erfüllung des eigenen Willens zu zwingen.“ Es gehe um eine ganzheitliche Durchsetzung eigener Interessen, so Schmid.

Hybride Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten

Methoden der hybriden Kriegsführung werden sowohl von Russland in der Ukraine als auch von der Hamas im Nahen Osten eingesetzt. „Man kann mit Blick auf die Ukraine schon davon sprechen, dass zumindest von 2014 bis 2022 eine vergleichsweise erfolgreiche hybride Kriegsführung gegen die Ukraine betrieben wurde, die ja auch auf der Spaltung der Gesellschaft beruhte“, sagt Schmid.

Auch der russische Überfall auf die Ukraine am 24. Februar 2022 sei als hybrider Angriff angelegt gewesen, so der Militärforscher. „Er war nicht unbedingt auf Krieg oder Kampf ausgerichtet, sondern es war wohl tatsächlich die Absicht, innerhalb von zwei, drei Tagen in Form eines Coup d’ Etat das politische Ruder zu übernehmen.“

Im Nahen Osten seien viele pseudostaatliche Akteure aktiv, sagt der Experte. „Die Hisbollah, die Hamas, der sogenannte Islamische Staat, die Taliban. Sie agieren im engen Schulterschluss mit mächtigen staatlichen Akteuren – als Stellvertreter, als sogenannte Proxys.“ Die Methoden dieser Gruppen ähnelten sich: Infiltration, Beeinflussung, Radikalisierung, Terror. Der Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober passe in dieses Muster, so Schmid: „Ein paramilitärisch organisierter Terrorangriff, gezielt auf die Zivilbevölkerung Israels, um möglichst blutige Bilder zu generieren, die man dann wiederum propagandistisch, für die strategische Kommunikation und politisch nutzen kann.“ 

Politische Radikalisierung in Europa

Das Ganze gehe mit einer „politischen Radikalisierung islamistischer Prägung“ einher, so Schmid – und das sei auch eine große Gefahr für Europa. „Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass auch Deutschland, auch Mitteleuropa im Fadenkreuz hybrider Akteure steht.“ Das Bewusstsein für diese Gefahr müsse in Staat und Gesellschaft geschärft werden. Nur durch die Zusammenarbeit von Sicherheitsbehörden und Unternehmen könnten Maßnahmen der hybriden Kriegsführung rechtzeitig entdeckt werden. 

Der Beitrag der Bundeswehr bestehe dabei darin, eine starke Landes- und Bündnisverteidigung sicher zu stellen, so der Militärforscher. „Je stärker wir auf diesem Feld sind, desto unwahrscheinlicher werden wir auf diesem Feld auch herausgefordert werden. Denn hybride Akteure wollen in der Regel nicht kämpfen. Sie wollen den Weg des geringsten Widerstandes gehen.“

von Timo Kather

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