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Tränen, Schmerzen, blaue Flecken – unterwegs mit den Fernspähern

Tränen, Schmerzen, blaue Flecken – unterwegs mit den Fernspähern

Datum:
Ort:
Berlin
Lesedauer:
3 MIN

„Herzlich willkommen im Spessart“, sagt Hauptfeldwebel Axel M.* und schaut dabei in Richtung der 13 Soldaten, die vor ihm stehen. Es sind alles junge Männer um die 25, groß gewachsen mit kräftiger Statur. Für die Männer ist das heute der Auftakt zu ihrem wahrscheinlich schwersten Ausbildungsabschnitt auf dem Weg zum Fernspäher.

Ein Soldat im Wald mit Mundschutz und Gewehr im Anschlag
Die Ausbildung der Fernspäher zählt zu den härtesten der Bundeswehr. Die Einheit gilt als das Auge des Heeres. Auf sich allein gestellt und vergraben unter der Erde klären sie Ziele hinter den feindlichen Linien auf.

Vier Tage lang im Wald mit rund 70 Kilogramm Ausrüstung sollen sie unentdeckt bleiben, täglich acht Stunden marschieren und weitere acht Stunden Verstecke graben. Geschlafen wird fast gar nicht.

Die vier Tage sollen die jungen Männer körperlich wie mental gezielt an ihre Grenzen bringen und sie auf die Abschlussübung in vier Wochen vorbereiten. Deshalb marschieren die Soldaten ausnahmsweise auch tagsüber – im Einsatz suchen die Fernspäher dagegen eher den Schutz der Nacht.

Lautlos im Schutz der Dunkelheit

M. gibt dem Trupp eine kurze Lageeinweisung. Sie sollen ins Feindesland eindringen und Verstecke anlegen, um Bewegungen der feindlichen Truppen auszuspähen. Vor knapp einer halben Stunde hat der Bus die Männer an einem Waldrand abgesetzt. Was sie erwartet, wissen sie nicht. Nur dass es irgendwann vorbei sein wird.

„Ab jetzt taktisch“, sagt M. Will sagen: Es wird ernst. Im Abstand von zehn Metern laufen die Männer langsam einen steilen Waldweg hinauf. Sie treten sehr vorsichtig auf, denn knackende Äste oder herunterpurzelndes Geröll könnten den Feind im stillen Wald aufhorchen lassen. 

„Ihr müsst es ertragen“

Bei der Ausbildung zählen nicht nur die körperlichen Leistungen, sondern auch die charakterliche Eignung. So wie viele der Lehrgangsteilnehmer ist auch der 38-jährige M. ein eher zurückhaltender Mensch. Auch wenn sein Trupp mal einen Fehler macht, wird er niemals laut. „So verhält man sich nicht im Wald“, erklärt er. Nach acht Stunden Marsch erreicht der Trupp den vorerst letzten Punkt seines Weges. Die gesamte Strecke sind die Soldaten ohne Pause und Essen gelaufen.  „Ihr müsst es ertragen“, sagt Müller.

Innerer Schweinehund

In der folgenden Nacht heißt es wieder: Verstecke ausheben. Doch diesmal ist das Gelände so widrig, dass nach ein paar Spatenstichen Schluss ist. Also müssen die übermüdeten Männer nochmal los, eine geeignete Stelle suchen und neue Löcher graben. In ihren Köpfen geht der Kampf gegen den inneren Schweinehund in die finale Runde. „Das war der Moment, wo mir die Tränen kamen“, sagt später ein Lehrgangsteilnehmer.

Psychologische Tricks

„Versetzt euch gedanklich an einen anderen Ort. Stellt euch zum Beispiel vor, ihr würdet jetzt an einem schönen Strand entlanglaufen“, rät Psychologin Tatjana Q.*, Truppenfachlehrerin an der Panzertruppenschule in Munster, den Fernspäheranwärtern. Q. begleitet den Eignungstest und die Ausbildung der angehenden Fernspäher. 

Sich mental an schöne Orte zu denken, ist nur einer von vielen Tipps, die sie für Soldaten bereit hat. In ihrem Unterricht gibt sie den angehenden Fernspähern Empfehlungen, wie sich Schmerz, Eintönigkeit oder Müdigkeit entgegenwirken lässt. „Zuerst ist wichtig, dass sich die Soldaten selbst erfahren, spüren, welche Gefühle oder Gedanken sie besonders beeinträchtigen. Erst dann lassen sich Hilfestellungen geben. Ein Patentrezept, das bei allen hilft, gibt es nicht“, erklärt sie.

Durchhalten

Am vierten Tag erreicht der Trupp ein offenes Feld. Mit letzten Kräften schleppen sich die zehn verbliebenen Lehrgangsteilnehmer ins Ziel, drei von ihnen mussten abbrechen. „Ich will Fernspäher werden, das hat mich durchhalten lassen“, sagt ein Lehrgangsteilnehmer. Kommende Woche folgt die nächste Übung, in der die Soldaten erneut im Feld sein werden. Erst dann beginnt die Abschlussübung.

*Namen zum Schutz der Personen abgekürzt.

von Patrick Enssle

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