Fernspäher operieren tagelang autark viele Kilometer tief im gegnerischen Gebiet. Ihr Auftrag: beobachten und melden. Hauptfeldwebel Chris ist einer von ihnen. Um dieser Aufgabe gewachsen zu sein, wurde er drei Jahre ausgebildet.
„Wir sind die Augen des Heeres tief hinter den gegnerischen Linien“, beschreibt Hauptfeldwebel Chris die Aufgabe der Fernspäher – seine Aufgabe. Fernspäher operieren in Sechs-Mann-Trupps bis zu 300 Kilometer tief im Hinterland des Gegners. Dort, wo Aufklärungsdrohnen nicht hinkommen. Im Unterschied zur Technik, die nur Momentaufnahmen liefert, können Fernspäher länger beobachten, Ereignisse feststellen, bewerten und melden.
Fernspäher werden in allen Klimazonen eingesetzt und sind während ihrer Operation komplett auf sich gestellt. Meist zu Fuß unterwegs, meiden sie die Konfrontation mit dem Gegner, da sie unerkannt bleiben müssen. „Es ist gefährlich, aber man weiß vorher, auf was man sich einlässt. Durch die Art der Ausbildung und die strenge Auswahl, die wir haben, wissen wir, dass sich jeder auf den anderen verlassen kann“, sagt Chris.
Eine besondere Aura
Noch als Wehrpflichtiger kam Chris 2002 zur Bundeswehr ins Jägerbataillon 1 nach Berlin. Nach seiner Grundausbildung absolviert er im bayerischen Altenstadt die Fallschirmjägerausbildung. Dort entdeckt er seine Faszination für die Fernspäher und die Spezialkräfte der Bundeswehr.
„Ich habe mich entschieden, zu den Fernspähern zu gehen, weil ich die in Altenstadt immer springen gesehen habe. Ihre Aura war etwas ganz Besonderes. Und dann habe ich gedacht: Das probierst du.“ 2006 kam er ins damalige Kommandoanwärtermodell in Pfullendorf. Zusammen mit Bewerbern für das Kommando Spezialkräfte absolvierte er die Spezialgrundausbildung: Marschieren, Versteckbau, Funken, Schießen, Abseilen und Durchschlagen standen auf dem Lehrplan. „Das war im Grunde schon die erste Auswahl. Wir sind damals mit 80 Mann angetreten. Sechs Mann sind durchgekommen“, erzählt der heute 36-Jährige.
Aufgeben kam nie in Frage
Mit seiner Entscheidung, zu den Fernspähern zu gehen, musste Chris auch in die Feldwebellaufbahn wechseln. Zur Ausbildung der Fernspäher gehören unter anderem Fallschirmspringen, sowie Schieß-, Survival und Nahkampfausbildung. „Man ist ständig draußen und hat immer den Druck, sich beweisen zu müssen. Die Anforderungen der Ausbildung sind hoch, aber machbar. Aufgeben kam für mich nie in Frage“, erinnert sich der Hauptfeldwebel.
In der Regel bestehen die Fernspähtrupps aus Feldwebeln, manchmal wird ein Trupp von einem Offizier geführt. Drei Trupps bilden einen Zug. Die Bundeswehr hat vier Fernspähzüge – zwei in der Luftlandeaufklärungskompanie 310 in Seedorf und zwei in der Luftlandeaufklärungskompanie 260 in Lebach. Organisatorisch gehören die Fernspäher zur Heeresaufklärungstruppe.
Spezialisten im Trupp
Jeder Soldat des Trupps hat zusätzlich ein Spezialgebiet. „Bei den Fernspähern gibt es Scharfschützen, Sanitäter, JTACs, Funker und OSAs für die optronische Spezialaufklärung“, sagt der Hauptfeldwebel. Je nach Neigung könne sich jeder Soldat für eine Spezialisierung entscheiden. „Mein Englisch war nicht schlecht, also bin ich in die JTACJoint Terminal Attack Controller-Ausbildung in Frankreich eingeschleust worden.“
Joint Terminal Attack Controller – JTAC – koordinieren beispielsweise Luftangriffe vom Boden aus. „Wir sind dafür da, weitreichendes Feuer zu lenken und zu koordinieren, um auf Befehl Hochwertziele, wie beispielsweise ein gegnerisches Hauptquartier, bekämpfen zu können.“
Der Einsatz gehört dazu
Sechs Jahre war Chris danach als Fernspähsoldat und JTACJoint Terminal Attack Controller in Pfullendorf stationiert. In dieser Zeit war er auch dreimal für jeweils mindestens fünf Monate in Afghanistan im Einsatz – und wurde zum ersten Mal Vater. „Das war hart. Die ersten drei Jahre habe ich nicht viel gehabt von meinem Sohn. Jetzt beim zweiten bin ich aber daheim“, sagt der Fernspäher und ergänzt: „Es war die Aufgabe, für die ich mich gemeldet hatte. Ich wusste, wenn ich Fernspäher und JTACJoint Terminal Attack Controller werde, dann muss ich in den Einsatz, das gehört dazu.“
Mittlerweile ist er Dezernent im Bereich Weiterentwicklung der Fernspähaufklärung im Amt für Heeresentwicklung in Köln. „Am Anfang war es ein kompletter Bruch. Zuvor war ich noch auf Übungen draußen mit Waffen und Ausrüstung. Und dann komme ich an den Schreibtisch und muss mich mit Windows und Excel abkämpfen“, lacht Chris. Den Kontakt zu „seiner Familie“, den Fernspähern, hält er selbstverständlich weiterhin. Vor allem, um die Expertise nicht zu verlieren: „Man kann im Amt ja viel erzählen, wenn man gar nicht mehr weiß, wie es tatsächlich ist.“
von
Alexandra Möckel