„Nachgefragt“

Die Qualität der Luftkriegsführung hat sich über den Kriegsverlauf verändert“

Die Qualität der Luftkriegsführung hat sich über den Kriegsverlauf verändert“

Datum:
Ort:
Berlin
Lesedauer:
4 MIN

Bei manchen Mobilgeräten und Browsern funktioniert die Sprachausgabe nicht korrekt, sodass wir Ihnen diese Funktion leider nicht anbieten können.

Die Ukraine ist weiterhin massiven Drohnen- und Raketenangriffen ausgesetzt. Die russischen Luftschläge sind konzentrierter als zu Beginn des Krieges. Generalmajor Dr. Christian Freuding erklärt im Gespräch mit „Nachgefragt“-Moderatorin Major Caroline Grosse die Veränderungen in der Ausführung der Luftangriffe.

Passen Sie jetzt Ihre Datenschutzeinstellungen an, um dieses Video zu sehen

Generalmajor Dr. Christian Freuding erläutert im Gespräch mit „Nachgefragt“-Moderatorin Major Caroline Grosse die Entwicklung der russischen Luftangriffe auf die Ukraine. Dies stellt die Luftverteidigung der Ukraine vor besondere Herausforderungen.

Freuding spürt eine gewisse Verunsicherung bei der Bevölkerung. Er war erst kürzlich wieder vor Ort in dem angegriffenen Land. Bei den Besuchen zuvor habe er dies nicht in dieser Stärke wahrnehmen können. Er führt es zuerst auf die gestiegene Intensität der russischen Luftangriffe zurück.

Konzentriertere Luftschläge

Die Qualität der Luftkriegsführung hat sich über den Kriegsverlauf signifikant verändert“, sagt Freuding. Er erklärt die Entwicklung: Russland hat schon zu Beginn des Krieges die Luftüberlegenheit gehabt. Dabei wurden die üblichen Marschflugkörper und Raketen eingesetzt. 2023 wurde mit dem verstärkten Einsatz von Drohnen begonnen – zumeist aus iranischer Produktion. 2024 wurden dann bei Angriffen rund einhundert Drohnen gemeinsam mit Marschflugkörpern oder anderen ballistischen Flugkörpern zum Einsatz gebracht. Das ist insofern berechenbar gewesen, als diese Angriffe in regelmäßigen Abständen von einigen Tagen, verteilt auf unterschiedliche Ziele, stattgefunden haben. Mittlerweile jedoch haben sich die Angriffsintervalle verkürzt und es werden mehrere Hundert Drohnen – Freuding spricht von bis zu 800 – zusammen mit dutzenden Marschflugkörpern für die Angriffe gestartet „und konzentriert auf ein Ziel“, so der General. Zudem hat sich die Qualität der Drohnen „deutlich verbessert“.

Angegriffen werden neben militärischen Zielen auch die zivile Infrastruktur, wie zum Beispiel die Energieversorgung, aber auch die Bevölkerung soll bewusst getroffen werden. Damit soll die Gesellschaft kriegsmüde gemacht werden. Freuding ergänzt dazu aber, dass dieses Vorgehen in der Kriegsgeschichte nicht sehr erfolgreich war.

Die ukrainische Flugabwehr steht nun vor großen Herausforderungen. Die Luftverteidigungsarchitektur besteht aus zwei Säulen: Zum einen die älteren Systeme sowjetischer Bauart und die Waffensysteme westlicher Bauart, die von den Unterstützerländern wie Deutschland geliefert werden – zum Teil neu und hochmodern wie Iris-T oder bewährt wie der Flugabwehrkanonenpanzer Gepard und PatriotPhased Array Tracking Radar to Intercept on Target. Da es für die alten sowjetischen Systeme keine Munition mehr gibt, wird nun auf die Modernisierung der ukrainischen Luftverteidigungsfähigkeiten gesetzt.

Luftverteidigungsarchitektur: Deutschland koordiniert Unterstützung

Deutschland engagiert sich hierbei maßgeblich. In sogenannten Capability Coalitions – Fähigkeitskoalitionen – wird die militärische Unterstützung der Ukraine koordiniert. Deutschland ist Führungsnation der Fähigkeitskoalition Luftverteidigung, in der sich mehrere Nationen am Aufbau einer nachhaltigen Luftverteidigung für die Ukraine beteiligen. Das Land soll sich so wirksam gegen russische Luftangriffe wehren können, um Bevölkerung, Streitkräfte und Infrastruktur vor Flugkörpern zu schützen.

Außerdem engagieren sich Deutschland und weitere Partnerländer in der Initiative „Enduring Action on Air Defence“, um die Beschaffung weiterer Flugabwehrsysteme zu finanzieren. Derzeit setzt sich Deutschland intensiv dafür ein, weitere PatriotPhased Array Tracking Radar to Intercept on Target-Flugabwehrsysteme beim Verbündeten USA für die Ukraine kaufen zu können.

Die Lage auf dem Gefechtsfeld

General Freuding erläutert auch die aktuelle Lage auf dem Gefechtsfeld. Russland sei weiterhin in der Initiative und könne stetig – wenn auch nur wenig – Territorium erobern. Allerdings stünden wahrscheinlich keine starken russischen Kräfte im Rückraum, damit ein entscheidender Vorstoß gelingen kann. Die ukrainischen Streitkräfte würden mobil und flexibel auf Operationen der russischen Armee reagieren. Die russischen Kräfte hätten Schwierigkeiten, die ukrainische „Sicherungszone“ – ein von Drohnen gesicherter Frontstreifen vor den ukrainischen Stellungen – zu durchdringen. Die Möglichkeit, dass die Ukraine die Initiative erlangt, sieht Freuding nicht an der Frontlinie, sondern in den Chancen, die sich durch sogenannte „Deep Strikes“ ergeben – so wie zuletzt bei der „Operation Spiderweb“.

Gegen Ende der Sendung blickt der General auf seine Tätigkeit als Leiter des Planungs- und Führungsstabes im Verteidigungsministerium und des Sonderstabes Ukraine zurück, bevor er im September der neue Inspekteur des Heeres wird. Er dankt seinem Team und erinnert an die Bedeutung der Ukraine-Unterstützung für die internationale regelbasierte Ordnung: Es gehe um die Frage, „ob Aggression durchkommt“.

von Florian Manthey

Bei manchen Mobilgeräten und Browsern funktioniert die Sprachausgabe nicht korrekt, sodass wir Ihnen diese Funktion leider nicht anbieten können.

Mehr zum Thema

Weitere Folgen