Heer
Ein Blick zurück

Seit 68 Jahren dienen Soldaten im Heer

Seit 68 Jahren dienen Soldaten im Heer

Datum:
Ort:
Strausberg
Lesedauer:
7 MIN

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68 Jahre ist das Heer nun schon die zahlenmäßig größte Teilstreitkraft der Bundeswehr. Seine Soldatinnen und Soldaten sind Träger der militärischen Landoperationen, verfügen aber auch über luftbewegliche und luftmechanisierte Kräfte. Durch die sich ständig ändernde welt- und sicherheitspolitische Lage hat sich das Heer, von der Gründung 1955 bis heute, ständig gewandelt. Der Kernauftrag – Streitkräfte zur Verteidigung bereitzustellen – blieb jedoch gleich.

Schwarzweißfoto: Soldaten sitzen in einer Berghütte um einen Weihnachtsbaum herum.

Das kommende Weihnachten wird für das Heer und seine Soldaten das 68. sein. Vom Anfang bis heute war und ist das Heer einem steten Wandel unterlegen.

Bundeswehr/Adolf Blumenthal

Wer auf Geschichte schaut, schaut zwangsläufig auf Veränderungen. Der 12. November 1955 ist die Geburtsstunde der Bundeswehr und damit ihrer größten Teilstreitkraft – des Heeres. Theodor Blank ist der erste deutsche Verteidigungsminister. Die Abteilung V im damaligen Bundesministerium für Verteidigung plant die Aufstellung des Heeres, erarbeitet eine völlig neue Heeresstruktur. Am 12. November 1955 treten die ersten Heeressoldaten dann ihren Dienst an. Die ersten Wehrpflichtigen für das Heer werden ab April 1957 einberufen.

Der Anfang ist gemacht 

Ein Soldat kniet mit seiner Waffe an einem Panzer.

Anfangs nutzt das Heer fremde Technik. Dieser Panzergrenadier sucht Schutz hinter einem Kampfpanzer M47 aus USUnited States-amerikanischer Fertigung.

Bundeswehr/Hans H. Siwik

Sieben Lehrkompanien in Andernach und die Gründung von zunächst zwölf Truppenschulen stehen am Anfang des Aufbaus der ersten Heeresstrukturen. Das Gesetz über die zwölfmonatige Wehrpflicht ebnet zugleich den Weg für die ersten 10.000 Wehrpflichtigen in das Heer. Der erste Inspekteur des Heeres, Generalleutnant Hans Röttiger, ist somit maßgeblich an dessen Aufbau beteiligt. Er wirkt an der Ausarbeitung der Himmeroder Denkschrift mit, einem Grundsatzdokument zum Aufbau der Bundeswehr und zur Wiederbewaffnung Deutschlands.

Die ersten Planungen für die Heeresstruktur 1 fallen sehr großzügig aus. Der für die NATONorth Atlantic Treaty Organization-Unterstellung vorgesehene Teil allein des Heeres soll nach amerikanischem Vorbild 320.000 Soldaten umfassen. Doch dazu kommt es, ursprünglich geplant von 1956 bis 1958, aus politischen Gründen nie. Der neue Verteidigungsminister Franz Josef Strauß reduziert die Zielmarke für den Friedensumfang des Feldheeres Ende 1956 auf 195.000 Soldaten. 1958 beträgt die Stärke des Heeres dann etwa 100.000 Soldaten. Bei der Ausrüstung greift man zunächst auf amerikanisches Material, wie beispielsweise den Kampfpanzer M47, zurück.

Brigaden sind beweglicher

Doch auch diese Struktur muss wegen sich ändernder sicherheitspolitischer Rahmenbedingungen schnell überdacht werden. Die sowjetischen Streitkräfte führen taktisch-nukleare Gefechtsfeldwaffen ein. Das Heer muss auf diese neue Bedrohung reagieren. Die mit bis zu 28.000 Mann sehr großen Divisionen der Heeresstruktur 1 erscheinen für den Einsatz unter atomaren Bedingungen als zu schwerfällig. Die Wirkung gegnerischer Atomwaffen muss so gering wie möglich gehalten werden. In der Reform Heeresstruktur 2 wird von kleineren, schnell beweglichen Kräften ausgegangen. In den Mittelpunkt der Überlegungen rückt der Gedanke einer beweglich geführten Verteidigung mit der Fähigkeit zu reaktionsschnellen Gegenangriffen. Unterhalb der Division werden die Brigaden eingeführt, 1959 werden 27 Brigaden mit insgesamt 148.000 Mann aufgestellt.

Auch der Bau der Mauer von Seiten der DDR, ab dem 13. August 1961, greift in die Geschichte des Heeres ein. Unter der verschärften Bedrohungslage wird der Grundwehrdienst zunächst auf 18 Monate verlängert.

HOT, MILAN und Leopard

Zwei Soldaten liegen auf einer Wiese hinter einer großen Panzerabwehrwaffe.

Die Panzerabwehrwaffe MILAN ist eine in deutsch-französischer Zusammenarbeit entwickelte leichte Boden-Boden-Panzerabwehrlenkwaffe. Sie dient der Bekämpfung von Panzern, gepanzerten Fahrzeugen, aber auch befestigte Stellungen.

Bundeswehr/Günther Oed

Die Siebzigerjahre, in der Heeresstruktur 3, sind gekennzeichnet von den Spannungen zwischen den Großmächten USA und Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, UdSSRUnion der Sozialistischen Sowjetrepubliken. Auf die sich veränderte Bedrohungssituation reagiert der Führungsstab des Heeres mit der Einführung und Entwicklung bedeutender Waffensysteme. Neues Wehrmaterial wie die Panzerabwehrlenkraketen HOT und MILAN oder der Flugabwehrkanonenpanzer Gepard werden eingeführt. Zudem werden neue Waffensysteme, insbesondere der Kampfpanzer Leopard 2, der Flugabwehrpanzer Roland und ein Panzerabwehrhubschrauber, entwickelt. Aber auch strukturell wird auf die Veränderungen reagiert. Die neue NATONorth Atlantic Treaty Organization-Strategie der flexiblen Erwiderung, Flexible Response, entsteht.

Mit der Heeresstruktur 4 zwischen 1980 und 1992 stehen im Heer 38 aktive Brigaden bereit. Diese teilen sich auf in 17 Panzer-, 15 Panzergrenadier-, drei Luftlande- und eine Gebirgsjägerbrigade sowie die ab 1982 der NATONorth Atlantic Treaty Organization zugewiesenen aktiven Heimatschutzbrigaden 51 in Eutin und 56 in Neuburg an der Donau. Der Streitkräfteumfang beträgt zu dieser Zeit ungefähr 495.000 Soldaten.

Und wieder rollt eine große Veränderung auf die Soldaten des Heeres zu. Michael Gorbatschow, seit 1985 zunächst Generalsekretär des ZK der KP der Sowjetunion, verändert mit seiner Glasnost-Politik der Öffnung den Ost-West-Konflikt grundlegend in Richtung Entspannung. Die Mauer fällt am 9. November 1989. 
Eine Heeresstruktur 5 wird notwendig. Es beginnt eine Phase des Abbaus bei gleichzeitigem Umbau der Streitkräfte. Das Heer nimmt die Struktur der Wiedervereinigung ein.

Das Heer übernimmt Teile der Nationalen Volksarmee

Am Rand eines Marktplatzes stehen Soldaten angetreten in Formationen umrahmt von Zivilisten.

Im Oktober 1990 findet in Bad Salzungen in Thüringen das erste feierliche Gelöbnis der Armee der Einheit statt

Bundeswehr/Matthias Zins

Im Kaukasus treffen sich im Juli 1990 Bundeskanzler Helmut Kohl und Präsident Gorbatschow. Erfolgreich legen die Staatsmänner die Modalitäten zur deutschen Wiedervereinigung fest. Am 3. Oktober 1990 endet mit dem Tag der Einheit die Geschichte der Nationalen Volksarmee. Nach bereits massiv erfolgtem Personalabbau verbleiben rund 89.000 NVANationale Volksarmee-Soldaten, die ab diesem Tag die Uniformen der Bundeswehr tragen. Dazu kommen nochmal rund 48.000 Zivilbeschäftigte, die übernommen werden.

Das Kommando über die „neuen“ Truppenteile liegt zunächst allein beim Bundeswehrkommando Ost mit Sitz in Strausberg. Der Befehlshaber des Kommandos ist der spätere brandenburgische Innenminister, Generalleutnant Jörg Schönbohm. Strausberg wird für das Heer in seiner weiteren Geschichte erneut von Bedeutung sein. Angeführt vom Heer, von Luftwaffe und Marine dienen im Jahr 1995 bereits 60.000 Soldaten in den neuen Bundesländern. Vor den Augen der Bevölkerung hat die Armee der Einheit während der Oderflut 1997 ihre erste Bewährungsprobe.

Das Heer bewährt sich in multinationalen Einsätzen

Schwere Lkws fahren einen schmalen Bergpfad hinauf.

Im April 2000 bahnen sich Heeressoldaten den Weg durch das Kosovo. Einige Einheiten sind auf dem Berg Civiljen nach der Stadt Prizren untergezogen.

Bundeswehr/Detmar Modes

In den Neunzigerjahren wird das Heer mit seinen Soldaten auf weltweite Einsätze und das internationale Konfliktmanagement vorbereitet und bereits eingesetzt wie in Bosnien-Herzegowina und im Kosovo. Es gilt, den Wandel zu einer Armee im Einsatz strukturell abzubilden. Der offizielle Startschuss für die Reform des Heeres fällt am 21. Juli 2000 mit der Weisung zur Ausplanung der Streitkräfte der Zukunft.

Es geht darum, Bündnispartner außerhalb Deutschlands mit Kräften in der Größenordnung einer verstärkten Mechanisierten Division zu unterstützen. Alternativ dazu sollen zur Konfliktverhütung und Krisenbewältigung bis zu 10.000 Soldaten in zwei gleichzeitigen Einsätzen für einen langen Zeitraum bereitstehen. Für die nationale Vorsorge, etwa Evakuierungsoperationen deutscher Staatsbürger oder zum Zweck der humanitären Hilfe und Katastrophenhilfe, sind darüber hinaus Kräfte in der Größenordnung von etwa 1.000 Mann vorzuhalten.

Das Heer profitiert nun von der Nachsteuerung der 5. Heeresstruktur. Schon damals werden die Korps zu Trägern der Multinationalität. Das II. Korps wird im April 1993 in das II. Deutsch-Amerikanische Korps umgewandelt. Das I. Korps wird im August 1995 aufgelöst und an seiner Stelle das I. Deutsch-Niederländische Korps aufgestellt. Dies alles sind gute Voraussetzungen für das „Neue Heer“. Das Einsatzspektrum der Heeressoldaten ändert sich grundlegend.

Einsätze zur Konfliktverhütung und Krisenbewältigung wie in Afghanistan ab 2001 stehen jetzt im Vordergrund. Die am 1. März 2004 erlassene Weisung zur Weiterentwicklung der Streitkräfte setzt das Ziel: eine einsatzorientierte, differenzierte Ausrichtung der Streitkräfte, um streitkräftegemeinsam im multinationalen Umfeld zu operieren. Im Vergleich zum „Heer der Zukunft“ ist das „Neue Heer“ noch konsequenter auf Auslandseinsätze ausgerichtet und optimiert, 2010 umfasst das Neue Heer rund 83.000 Soldaten.

Wendepunkt Annexion der Krim

Zwei Schützenpanzer feuern, sie stehen dabei auf einer Wiese. Rauch steigt auf.

Auf dem Truppenübungsplatz Bergen steht der Schützenpanzer Puma 2014 bei seiner taktischen Einsatzprüfung im Feuer

Bundeswehr/Jane Hannemann

Das kleine Strausberg bei Berlin erlangt wieder Bedeutung in der Geschichte des Heeres. Ab 2013 wird das Heer, statt aus Koblenz, nun aus dem Kommando Heer in Strausberg geführt. Hier haben der Stab des Inspekteurs des Heeres und die einzige höhere Kommandobehörde im Organisationsbereich Heer ihren Sitz bis heute. Es ist das Planungs-, Führungs-, Lenkungs- und Kontrollinstrument des Inspekteurs. Und wieder verändert Politik das Heer: Mit der Annexion der Krim 2014 durch Russland und nach dem NATONorth Atlantic Treaty Organization-Gipfel in Wales verlagert sich der Schwerpunkt verstärkt hin zur Bündnis- und Landesverteidigung. 

Als erste Streitkraft stellt die Bundeswehr mit ihren Heeressoldaten in Europa eine multinationale Battlegroup unter deutscher Führung in Litauen zusammen. Obwohl sich zeitgleich knapp ein Fünftel der gesamten Heeresangehörigen in Auslandseinsätzen, einsatzgleichen Verpflichtungen und anerkannten Missionen befindet. Mit der Bereitstellung von Streitkräften und Technik für die Mission enhanced Forward Presence an der Ostflanke der NATONorth Atlantic Treaty Organization in Litauen und für die Schnelle Eingreiftruppe der NATONorth Atlantic Treaty Organization, die Very High Readiness Joint Task Force, setzt das Heer alles daran, das Bündnis zu stärken und die europaweite Kooperation voranzutreiben. Eines ist dabei aber auch klar: Für die Landes- und Bündnisverteidigung im 21. Jahrhundert kann es nicht einfach ein Zurück in alte Strukturen geben.

Neues Zielbild

Mehrere Panzer fahren eine Kasernenstraße entlang.

2021 erhält das Panzerbataillon 393 im thüringischen Bad Frankenhausen als erster Verband die neueste Version des Kampfpanzers, den Leopard 2 A7V.

Bundeswehr/Marco Dorow

Mit dem Weißbuch aus dem Jahr 2016 passt sich Deutschland der veränderten sicherheitspolitischen Lage an. Die Soldaten des Heeres leisten künftig einen entscheidenden Beitrag zur gemeinsamen Sicherheit im NATONorth Atlantic Treaty Organization-Bündnis. Sie verstehen sich als Drehscheibe alliierter Truppenbewegungen, Stationierungsort großer Militärverbände der Partner, als rückwärtiger Operationsraum und als Truppensteller für die NATONorth Atlantic Treaty Organization-Kontingente an der Ostgrenze der NATONorth Atlantic Treaty Organization.

Der aktuell amtierende Inspekteur des Heeres, Generalleutnant Alfons Mais, kündigt 2022 mit dem Zielbild Heer strukturelle Veränderungen an, um das Heer konsequenter als bislang auf die Landes- und Bündnisverteidigung auszurichten. Das Zielbild dient dabei als Kompass und gibt eine Richtung vor, ohne sich an einen Weg zu binden. Es ist flexibel genug, um auf Lageentwicklungen reagieren zu können. Dazu kommt ein erhöhter Verteidigungshaushalt mit einem zusätzlichen sogenannten Sondervermögen, die beide hohe Investitionen in modernstes Gerät und Ausrüstung ermöglichen und auch die Modernisierung der Infrastruktur massiv vorantreiben.

Das Heer schließt damit nicht nur die Fähigkeitslücken der Vergangenheit, sondern gestaltet seine Zukunftsfähigkeit. Es setzt einen Innovationsimpuls für die Weiterentwicklung der Landstreitkräfte. Der 1. April 2023 markiert den Einstieg in die neuen Kategorien Leichte, Mittlere und Schwere Kräfte. Mit diesen Begriffen sind bestimmte Truppengattungen, ihre Verlegbarkeit und Beweglichkeit verbunden. Die dazu nötigen Unterstellungswechsel der Verbände sind bereits abgeschlossen.

Rückblickend auf 68 Jahre war das Heer stets hochflexibel, hat aber den Auftrag, Streitkräfte zur Verteidigung bereitzustellen, nie aus den Augen verloren.
 

von René Hinz

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