Sanitätsdienst

Eine extrem lehrreiche Zeit

Eine extrem lehrreiche Zeit

Datum:
Ort:
Koblenz

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Im März rief der Sanitätsdienst der Bundeswehr Reservistinnen und Reservisten auf, sich zur Unterstützung der Bundeswehrkrankenhäuser in der Corona-Krise zu melden. Mehr als 90.000 Mal wurde der entsprechende Artikel auf der Webseite der Bundeswehr gelesen und in den ersten Tagen folgten mehr als tausend Freiwillige diesem Aufruf.

Mehrere Soldaten und Zivilisten stehen in einer Reihe

Im März rief der Sanitätsdienst der Bundeswehr Reservistinnen und Reservisten auf, sich zur Unterstützung in der Corona-Krise zu melden. Rund 500 mit medizinischen Qualifikationen fanden in den folgenden Tagen und Wochen ihren Weg in die Bundeswehr

Bundeswehr/Michael Laymann

Rund 500 von ihnen, alle mit medizinischen Qualifikationen, fanden in den folgenden Tagen und Wochen ihren Weg in die Bundeswehr. Oberst Uwe Armin Schmidt, Leiter des Fachbereichs Reservistenangelegenheiten des Sanitätsdienstes, koordinierte mit seiner Mannschaft die zügige Einschleusung der Reservistinnen und Reservisten. Im Interview spricht er über Erkenntnisse und gibt einen Ausblick auf zukünftige Handlungsfelder.

von Claas Gärtner

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6 Fragen an Uwe Armin Schmidt

Zwei Soldaten sitzen an einem Tisch und unterhalten sich
Bundeswehr/Markus Dittrich

Herr Oberst, wie sahen die ersten Tage nach dem Aufruf auf der Webseite der Bundeswehr aus?

Zwei Soldaten sitzen an einem Tisch und unterhalten sich

Die Resonanz war für uns so nicht absehbar. Der Aufruf erschien an einem Freitagmittag und schon kurze Zeit später standen unsere Telefone nicht mehr still. Die Motivation und die Bereitschaft so vieler Menschen, ihren Dienst in dieser Krisenlage leisten zu wollen, hat uns alle beeindruckt. Noch am ersten Wochenende haben wir das Team verstärken müssen, um die Menge an Anrufen überhaupt abarbeiten zu können. An reguläre Dienstzeiten war in dieser Phase nicht zu denken.

Recht schnell merkten wir auch, dass eine Liste in Excel nicht ausreichte, um die ganzen Informationen zu verwalten. Gemeinsam mit dem Kommando CIRCyber- und Informationsraum und unter der Einbindung unseres administrativen Datenschutzbeauftragten wurden Lösungen entwickelt. KdoKommando CIRCyber- und Informationsraum stellte dann in kürzester Zeit eine Datenbank zur Verfügung, um jede Freiwillige und jeden Freiwilligen erfassen und dann bei Bedarf auch zum Dienst heranziehen zu können. Hier leistete das KdoKommando CIRCyber- und Informationsraum schnelle unbürokratische Hilfe wofür ich sehr dankbar bin.

Normalerweise dauert eine Heranziehung zum Dienst, oder kurz Einberufung, mehrere Wochen, oder?

Zwei Soldaten sitzen an einem Tisch und unterhalten sich

Im Regelbetrieb ist das der Fall, da vor einer Heranziehung viele Faktoren, die sogenannte wehrrechtliche Verfügbarkeit, geprüft werden müssen. Diese Zeit hatten wir aber nicht. Wir haben daher einen Fragebogen entwickelt, mit dem wir alle relevanten Informationen abfragen konnten. Insbesondere war es wichtig, einen Nachweis über die medizinischen Qualifikationen zu haben und sicherzugehen, dass wir nicht Personal aus zivilen Gesundheitseinrichtungen abziehen. Alle Informationen leiteten wir an das Bundesamt für das Personalmanagement und die Karrierecenter weiter, die dann teilweise innerhalb von 24 Stunden die Einberufung veranlassten.

Lief das alles reibungslos?

Zwei Soldaten sitzen an einem Tisch und unterhalten sich

Die Prozesse hatten sich dank der guten Zusammenarbeit sehr schnell eingespielt. Die Herausforderung war, dass wir viele der Freiwilligen erst einmal kennenlernen mussten, da diese teilweise vor langer Zeit die Bundeswehr verlassen hatten. Dabei mussten wir feststellen, dass der notwendige Impfschutz, beispielsweise gegen Hepatitis A und B wie er für den Umgang mit Patienten benötigt wird, oftmals nicht vorhanden war. Viele der Freiwilligen hatten zudem jahrelang nicht im Gesundheitswesen gearbeitet, waren also mit den derzeit genutzten medizinischen Geräten in den Krankenhäusern nicht vertraut. Hier mussten wir auch überprüfen, welcher Ausbildungsstand vorhanden war, um den Ausbildungsaufwand für die Krankenhäuser möglichst gering zu halten.

Neben diesen Aspekten galt es auch ganz praktische Dinge zu organisieren: Wie kleiden wir die Freiwilligen ein? Wer pflegt die Daten in SAP ein, so dass die Reservistinnen und Reservisten auch Unterhaltssicherung bekommen? Das konnten unsere Krankenhäuser nicht leisten. Glücklicherweise haben uns dabei die Sanitätsregimenter unterstützt, die wir in dieser Phase wie Mob-Stützpunkte genutzt haben.

Konnten Sie allen Freiwilligen eine Aufgabe vermitteln?

Zwei Soldaten sitzen an einem Tisch und unterhalten sich

Für die Unterstützung der Bundeswehrkrankenhäuser brauchten wir Personal mit medizinischen Qualifikationen, um innerhalb kürzester Zeit unterstützen zu können. Es meldeten sich aber auch viele Freiwillige ohne eine entsprechende Ausbildung oder Tauglichkeit. Diesen mussten wir als Sanitätsdienst leider in der aktuellen Situation absagen. Wir haben aber alle Interessenten in unsere Datenbank aufgenommen, auch um zu prüfen ob wir ihnen im Nachgang eine passende Verwendung in der Reserve anbieten können.

Was sind für Sie die wichtigsten Lehren, wenn Sie auf diese Zeit zurückschauen?

Zwei Soldaten sitzen an einem Tisch und unterhalten sich

Für uns war diese Phase eine extrem lehrreiche Zeit. Vermutlich nie zuvor hat der Sanitätsdienst der Bundeswehr in so kurzer Zeit so viele Freiwillige zum Dienst heranziehen müssen. Eine erste wichtige Erkenntnis war, dass wir zukünftig einen engeren Kontakt zu unseren Reservistinnen und Reservisten halten müssen. Nur so können wir sicherstellen, dass wir beispielsweise den Impfstatus im Blick haben und für medizinisches Personal notwendige Impfungen vorhanden sind.

Zusätzlich müssen wir unsere Reservistinnen und Reservisten sowie die neu gewonnenen weiter und tiefer einbinden. Jeder von ihnen wird bei entsprechender Eignung ein Angebot von unseren Krankenhäusern und unseren Sanitätsregimentern bekommen. Dadurch wollen wir Beorderungsmöglichkeiten vom Sanitätssoldaten bis zur Ärztin realisieren. Nur so können wir in der Zukunft bei einer Krise schneller reagieren.

Stichwort Zukunft: Was sind die nächsten Maßnahmen?

Zwei Soldaten sitzen an einem Tisch und unterhalten sich

Da haben wir zwei Ebenen, die wir betrachten müssen. Zum einen die aktuelle Situation: Unsere Reservistinnen und Reservisten zur Unterstützung der Krankenhäuser sind in der Masse bis zum 30. Juni einberufen. Sollte es eine zweite Infektionswelle geben, können wir diesen Zeitraum verlängern oder später kurzfristig wieder Personal heranziehen.

Langfristig müssen wir uns Gedanken machen, wie wir die Reserveorganisation im Sanitätsdienst weiter stärken. Wie können wir also beispielsweise die Aus- und Weiterbildung für unsere Reservistinnen und Reservisten organisieren, sodass wir das Personal in Krisenzeiten nahtlos in die bestehenden Strukturen integrieren können. Im Hinblick auf die Strategie der Reserve gilt es ebenfalls sicherzustellen, dass die verlässliche Verfügbarkeit von Reservistinnen und Reservisten klar umgrenzt ist. Das Prinzip der Freiwilligkeit hat in der aktuellen Lage hervorragend funktioniert. Im Hinblick auf die Fokussierung auf Landes- und Bündnisverteidigung muss insbesondere im Bündnisfall das Prinzip der Freiwilligkeit durch weitere Maßnahmen optimiert werden um die verlässliche Verfügbarkeit sicherzustellen.

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