Streitkräftebasis

Professionalisierte Ausbildung für die Reserve

Professionalisierte Ausbildung für die Reserve

Datum:
Ort:
Bayern

Das Landesregiment Bayern kommt in Wildflecken zur ersten gemeinsamen Ausbildung aller Kompanien zusammen. Generalleutnant Jürgen Weigt, Beauftragter für Reservistenangelegenheiten der Streitkräftebasis, spricht über die Ziele der Ausbildung der Reserve und den aktuellen Stand des Pilotprojekts Landesregiment.

Portraitfoto zum Thema Reserve: Es zeigt General Jürgen Weigt.

Weigt ist als Stellvertreter des Inspekteurs der Streitkräftebasis Beauftragter für Reservistenangelegenheiten der Streitkräftebasis.

Bundeswehr/Jonas Weber

Generalleutnant Jürgen Weigt, Stellvertreter des Inspekteurs der Streitkräftebasis und Beauftragter für Reservistenangelegenheiten der Streitkräftebasis, spricht über die Ausbildungsziele und erste Ergebnisse des Pilotprojekts Landesregiment.

Ist das Landesregiment Bayern ein Erfolgsprojekt?

Ja! Das hat vor allem damit etwas zu tun, dass mit Hilfe dieses Pilotprojekts viele Dinge ins Laufen gekommen sind. Dinge, die zum Teil in der Strategie der Reserve definiert worden sind - als Anspruch, als Aufgabe, auch als Anforderung. Der Pilotversuch Landesregiment hilft, dieses in einem überschaubaren Zeitrahmen tatsächlich umzusetzen.

Was wird die Aufgabe der neuen Unterstützungskompanie sein?

Es ist unstrittig, dass wir Aufklärungselemente und pioniertechnische Unterstützung brauchen. Darunter fällt im Wesentlichen die Nutzung von handelsüblichen Spezialmaschinen wie Raupen oder Bagger, um Gelände zu verstärken oder Geländeabschnitte zu sperren. Der Einsatz von solchen Maschinen ist auch durchaus vom Großschadensereignis bis zum Heimatschutz im Rahmen der Bündnisverteidigung vorstellbar. Wir planen, ab dem 4. Quartal Beorderungsstellen für diese Kompanie auszuschreiben.

Gibt es schon Pläne, das Projekt auf andere Bundesländer auszudehnen?

Grundsätzlich schaffen wir die entsprechenden Voraussetzungen, um eine qualifizierte Ausbildung, das dazu notwendige Material und alles andere bereitstellen zu können. Es ist ja Sinn und Zweck dieses Truppenversuchs, das Projekt auf andere Bundesländer zu übertragen. Über Pläne und Zeitlinien zu sprechen wäre verfrüht, denn das würde suggerieren, dass wir das Ergebnis des Pilotprojekts gar nicht abwarten wollen. Parallel zum Truppenversuch Landesregiment erfolgt die Planung zur Neugestaltung der Führungsorganisation unter Einschluss der Territorialen Reserve. Das heißt also, zurzeit laufen sehr viele unterschiedliche Dinge, die ein einziges Ziel verfolgen: Einsätze auf die folgenden drei für sie wesentlichen Dimensionen besser vorzubereiten. Die eine ist internationales Krisenmanagement, die zweite ist der Bereich der NRFNATO Response Force/VJTFVery High Readiness Joint Task Force , also die Forderungen von NATO und EUEuropäische Union an die Bundeswehr, und die dritte ist die Vorbereitung für Landes- und Bündnisverteidigung.

Ist der Heimatschutz eine vierte Dimension?

Für mich ist Heimatschutz, mit Ausnahme des internationalen Krisenmanagements, in den zwei anderen Dimensionen eingeschlossen. Man betrachte die Aufgaben, die der Inspekteur der Streitkräftebasis in seiner weiteren Funktion als Nationaler Territorialer Befehlshaber und der Befehlshaber über deutsche Kräfte im Inland hat: Diese stehen im Zusammenhang mit dem Aufmarsch deutscher Kräfte, der Drehscheibenfunktion, also dem Transit, nationaler aber vor allem multinationaler Kräfte und auch Ressourcen durch unser Land, und sie umfassen auch den subsidiären Einsatz der Streitkräfte gemäß Artikel 35 Grundgesetz. Heimatschutz ist für mich integraler Bestandteil dessen und keine vierte Dimension.

Wurde das Landesregiment Bayern in der Corona-Pandemie eingesetzt?

Das Landesregiment Bayern wurde noch nicht eingesetzt, auch die bayerischen RSU-Kompanien bis Mitte August noch nicht – denn es ergab sich kein zwingender Bedarf, für den keine aktive Truppe zur Verfügung gestanden hätte. In anderen Bundesländern war das anders, und dort hatten wir zu verschiedenen Anlässen auch RSU-Kompanien im Einsatz. Das ist in gleicher Weise auch für die bestehenden Einheiten des Landesregiments Bayern weiterhin möglich, da die Corona-Krise noch längst nicht ausgestanden ist.

Ist die Krise eine Chance, Menschen für die Reserve zu interessieren?

Ohne Zweifel ist das eine Chance. Schon zu Beginn der Krise haben sich circa 14.000 Freiwillige gemeldet, von denen dann 3.000, vor allem mit medizinischem Background im Sanitätsdienst in den Einsatz gebracht wurden. Alle anderen wurden vom Generalinspekteur angeschrieben, es wurde ihnen für ihre Bereitschaft gedankt und sie wurden danach gefragt, ob sie sich vorstellen können, sich auch über Corona hinweg als Reservistendienst Leistende unter anderem in der Territorialen Reserve zu engagieren. Das Ergebnis dieser Befragung steht noch aus.

Wird der Heimatschutz aktuell auch in der Gesellschaft mehr geschätzt?

Die Bereitschaft, sich für das Gemeinwesen hier in Deutschland sichtbar einzusetzen, ist vorhanden. Ich will das aber auch nicht überbewerten. Es ist nicht nur eine Frage der Quantität, also wie viele Leute sich melden. Das Wichtige daran ist, wie viele dann kommen und bereit sind, sich verlässlich über einen längeren Zeitraum zu engagieren. Auch in Phasen, in denen das Engagement weniger öffentlichkeitswirksam ist wie in der derzeitigen Situation.

Worum geht es bei der ersten gemeinsamen Ausbildung des gesamten Regiments Ende September in Wildflecken?

Dort ist eine Stationsausbildung vorgesehen, die die II. Inspektion des VN Ausbildungszentrum in Wildflecken durchführt. Am Ende dieses Ausbildungsparcours sollen die drei RSU-Kompanien Ober-, Mittel-, und Unterfranken in der Lage sein, in einigen ausgewählten Szenarien selbst feststellen zu können: Sind wir in der Lage, unseren Auftrag zu erfüllen? Was müssen wir in der weiteren Ausbildung vertiefen? Es geht bei der Herbstausbildung nicht darum, zu zertifizieren. Sondern, darum, herauszufinden, ob die bisher eher theoretisch festgelegten Themenfelder, Schwerpunkte und Methoden hinreichend sind, um in der verfügbaren Zeit einen notwendigen Ausbildungsstand zu erreichen.

Wie soll die Ausbildung in den RSU-Kompanien angepasst werden?

Es wird so bleiben, dass RSU-Kompanien die Abholpunkte der Ausbildung, die Grundlagenausbildung, selbst durchführen. Sie können dann auf dem Ausbildungsstützpunkt zweckgerichtet und ohne Zeitverzug weitermachen. Dadurch erreichen wir ohne erkennbare Brüche in Methodik und Themenauswahl tatsächlich eine standardisierte, professionalisierte Ausbildung. Wenn eine Kompanie den Namen „Regionale Sicherungs- und Unterstützungskompanie“ führt, darf es keine Rolle spielen, ob sie in Bayern, in Schleswig-Holstein oder in Brandenburg beheimatet ist, denn alle verfügen über einen standardisierten Fähigkeitsmix. Das ist die Idee.

Rückt man vom Prinzip „Reservisten bilden Reservisten aus“ ab?

Aus meiner Sicht werden wir zwangsläufig auch Ausbilder aus der aktiven Truppe brauchen. Die neue Ausbildungssystematik, die neue Festlegung der Ausbildungsinhalte, die Ausbildungsmethodik, also das Abstützen auf den Ausbildungsstützpunkt Wildflecken – das sind alles Dinge, die darauf abzielen, die Ausbildung, die Professionalisierung insbesondere der Territorialen Reserve am Beispiel der RSU, auf den Prüfstand zu stellen. Dabei ist der wesentliche Faktor die verfügbare Ausbildungszeit. Es spielt keine Rolle, ob Reservisten Reservisten ausbilden oder die Ausbildungsstützpunkte. Wir als Kommando Streitkräftebasis werden versuchen, es so zu gestalten, dass das bestmögliche Ergebnis herauskommt.

Wie wirkt sich die verfügbare Zeit auf die Ausbildung aus?

Aus den Erfahrungen und aus den Gesprächen, die ich geführt habe, hat sich in meinem Kopf eine Zahl festgesetzt: Dass im Bereich der RSU-Kompanien im Durchschnitt 109 Ausbildungsstunden pro Reservistendienst Leistender pro Jahr zur Verfügung stehen. Das ist eine vergleichsweise begrenzte Zeit, die meines Erachtens zu Priorisierung, Rationalisierung und Entfrachtung der Ausbildung mit dem Schwerpunkt „Tiefe vor Breite“ und damit zur Konzentration auf den Kernauftrag führen muss.

Geht es bei der Herbstausbildung um die Optimierung der Ausbildung?

Die Herbstausbildung ist für das Landesregiment und den Ausbildungsstützpunkt eine Möglichkeit der Eigenoptimierung. Dieser Truppenversuch ist eben nicht nur ein Truppenversuch per Definition, sondern tatsächlich heißt es, so viel wie möglich an Erkenntnis zu gewinnen – in allen Bereichen und Ebenen. Wir fragen uns gleichzeitig: Wie bringen wir die gemachten Erfahrungen am besten in die Fortentwicklung des Systems Territoriale Reserve ein?

Welche Herausforderung bedeutet die Entwicklung der Territorialen Reserve?

Die Achillesferse im Systemverbund Territoriale Reserve ist eine fehlende Systematik zur Regenerierung von Mannschaftssoldaten. Das haben wir bislang nicht, und wenn man die RSU-Kompanien oder die Bezirks- und Kreisverbindungskommandos betrachtet, haben wir dort eine Altersstruktur, die sich deutlich von den aktiven Strukturen unterscheidet. Das ist bis zu einem gewissen Grad hinnehmbar. Aber es ist schwierig, Männer und Frauen mit gehobener Qualifikation und sogar höherer Qualifikation im zivilen Bereich auf eine längere Zeit auf Mannschaftsdienstposten zu beordern - vor allem, weil wir von ihren Fähigkeiten keinen Gebrauch machen können. Darüber hinaus ist der Objektschutz, die Sicherungsaufgabe, eine körperlich herausfordernde Aufgabe. Der neue Freiwillige Wehrdienst „Dein Jahr für Deutschland“ schafft eine Möglichkeit, dieses Problem zwar nicht zu lösen, aber in seinen Auswirkungen zu verringern.

von Dr. Felicia Englmann  E-Mail schreiben

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