Digitalisierung

Bundeswehr testet KIkünstliche Intelligenz-gestütztes System zur Geländeaufklärung

Bundeswehr testet KIkünstliche Intelligenz-gestütztes System zur Geländeaufklärung

Datum:
Ort:
Altengrabow
Lesedauer:
4 MIN

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Nikolausmorgen im Jerichower Land: Auf dem Truppenübungsplatz Altengrabow wird mit moderner digitaler Technik experimentiert. Kann intelligente Software den Streitkräften bei der Landes- und Bündnisverteidigung helfen? Das werden die nächsten Stunden zeigen.

Zwei Soldaten sitzen vor einem Laptop und besprechen sich.

Digitale Technik kann auf dem Gefechtsfeld den Unterschied machen. Auch die Bundeswehr setzt auf Computerunterstützung. Hier wird der Gefechtsstand eines Artilleriebataillons für die Übung „Stolzer Wettiner“ vorbereitet (Symbolfoto).

Bundeswehr/Anne Weinrich

Gleich muss alles klappen. Projektleiter Claus H. von der BWI und Oberstleutnant Tobias T. aus der Abteilung Cyber- und Informationstechnik im Verteidigungsministerium gehen den Ablauf ein letztes Mal durch. In wenigen Minuten wird das neue Innovationsvorhaben des ITInformationstechnik-Systemhauses der Bundeswehr erprobt: Ein von einer künstlichen Intelligenz unterstütztes System für die Überwachung und Sicherung großer Geländeabschnitte. Heute wird das System auf Schießbahn 18 des Truppenübungsplatzes erstmals unter freiem Himmel demonstriert.

Maximale Abschreckung mit einem Minimum an Personal

Seit dem russischen Überfall auf die Ukraine ist die Landes- und Bündnisverteidigung als Kernauftrag der Bundeswehr wieder in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Doch wie können große Geländeabschnitte – wie beispielsweise die rund 100 Kilometer breite Suwalki-Lücke zwischen Polen und Litauen – mit einem Minimum an Personal, aber einem Maximum an Abschreckung für feindliche Invasoren gesichert und im Notfall auch verteidigt werden? H. und T. hoffen, die Antwort mit dem Experiment MITA (Military Internet of Things für taktische Aufklärung) geben zu können.

Bewertung des Innovationsvorhabens durch die Abteilung Cyber- und Informationstechnik im BMVgBundesministerium der Verteidigung
Im Kern geht es um die Verbesserung bereits eingeführter Sensoren zur raschen Fähigkeitsverbesserung mittels fortgeschrittener Algorithmen, insbesondere der Künstlichen Intelligenz.

Zentraler Bestandteil des Projekts ist eine Künstliche Intelligenz: Ein Computerprogramm, das Sensoren und Gefechtsstand miteinander verbindet. Die Software bereitet Sensordaten aus allen zur Verfügung stehenden Quellen auf, kombiniert sie und erstellt aus den fusionierten Daten ein dreidimensionales taktisches Echtzeit-Lagebild für den Gefechtsstand.

Aus sicherer Entfernung können die Sensordaten ausgewertet und etwaige Gegner aufgeklärt werden. „Durch die Software und die Einbindung unterschiedlicher Sensorik wird eine integrierte und automatisierte Aufklärung ermöglicht“, sagt H. Die künstliche Intelligenz übernehme die Erkennung, Klassifikation und Lokalisation von Objekten sowie die Erfassung und Verfolgung möglicher Ziele.

Der militärische Mehrwert eines derartigen Systems liegt auf der Hand: Soldatinnen und Soldaten müssen nicht mehr vor Ort sein, um ein Gelände zu sichern – das reduziert das Risiko für die eigene Truppe deutlich. Anstatt Stellungen mit Feldposten zu besetzen, werden Sensorsysteme aus verschiedenen Plattformen der Bundeswehr plus eine Anzahl kostengünstiger, im Gelände verteilter Funksensoren genutzt. Sie sammeln alle Informationen, die die KIkünstliche Intelligenz zur Aufklärung braucht.

Ein Soldat schreibt mit dem Stift etwas auf eine Lagekarte mit Fähnchen.

Gefechtsstand im Wandel: Um ein aktuelles Lagebild zu erhalten, müssen Aufklärungsdaten bisher aus den verschiedensten Quellen zusammengetragen und händisch auf eine Lagekarte übertragen werden. Dieses umständliche Verfahren…

Bundeswehr/Anne Weinrich
Mehrere Soldaten arbeiten an Laptops.

… soll künftig mit Unterstützung einer künstlichen Intelligenz vereinfacht und beschleunigt werden. Das Projekt „MITA“ der BWI will mit Software eine integrierte und automatisierte Aufklärung ermöglichen (Symbolfotos).

Bundeswehr/Anne Weinrich

Standardsensorik zur Geländeüberwachung

Die Idee für das Innovationsprojekt stammt von Lars F. „Ich wollte eine kostengünstige Lösung entwickeln, um große Flächen günstig aufzuklären“, sagt der ITInformationstechnik-Architekt der BWI. Mit 3D-Drucker und Lötkolben baute er Sensorkugeln aus Plastik, die in etwa die Größe und das Gewicht einer Weihnachtsbaumkugel haben. Integriert ist ein Ultraweitband-Funktransceiver, betrieben werden sie mit zwei AAAuswärtiges Amt-Batteriezellen: „Das ist Standardsensorik mit einem Materialwert von höchstens 50 Euro.“

F.s Idee: Dutzende, wenn nicht hunderte der Sensorkugeln werden in Abständen von höchstens hundert Metern im Schutzbereich verteilt. Per Funk stehen alle Kugeln in Verbindung. „Dadurch entsteht ein engmaschiges Gitter aus Lichtschranken. Dringt ein Objekt ins Gitter ein oder wird eine Sensorkugel entfernt, wird die Verbindung gestört. Das wird registriert und an den Gefechtsstand weitergeleitet.“ Im Anschluss könne beispielsweise mit den optischen Sensoren überprüft werden, was genau die Störung verursacht habe: War es wieder nur ein Wildschwein, oder vielleicht doch ein feindlicher Panzer?

Gesteuert wird alles aus dem Gefechtsstand, der für das Experiment im Beobachtungsturm der Schießbahn 18 eingerichtet wurde. Ein Algorithmus verarbeitet die Sensordaten und stellt sie auf einem Bildschirm auf einer Karte des Geländes dar. Weiße Marker zeigen, wo sich die Sensorkugeln befinden, blaue Marker symbolisieren die zur Verfügung stehenden Sensoren. Plötzlich erscheint im Gelände dazwischen ein gelber Marker: Ein unbekanntes Objekt hat eine Funkstrecke durchbrochen. Der Bedienende geht nun die Sensoren durch, bis der Eindringling von einer optischen Kamera erfasst wurde. Nun muss entschieden werden, ob es sich um ein legitimes Ziel handelt. Ist dies der Fall, wird der gelbe Marker durch einen roten ersetzt.

Anwendung derzeit ausschließlich zur Verteidigung

Eine Vielzahl von Sensorsystemen könne gleichzeitig von einem Menschen kontrolliert werden, wenn dieser dabei von der KIkünstliche Intelligenz unterstützt würde, sagt Oberstleutnant T. nach dem Test. „Durch den Einsatz der Software und die Vernetzung bereits genutzter Sensoren kann ihr Einsatzwert mit wenig Aufwand deutlich gesteigert werden.“ Die Entscheidungsfindung im Gefecht werde erheblich beschleunigt, die Erfolgschancen würden somit erhöht. „Zudem werden ältere Systeme durch die Software zeitnah für neue Zwecke nutzbar, ohne neue Systeme beschaffen zu müssen.“ Der Bedarf nach zusätzlicher Ausbildung sei gering – jede Soldatin und jeder Soldat könnte in wenigen Minuten mit der Funktionsweise des Systems vertraut gemacht werden. „Ein Einsatz der derzeitigen Konfiguration ist defensiv geplant“, so der Oberstleutnant. So liege der Einsatz des Systems zur Sicherung kritischer Infrastrukturen nahe.

Die grundlegende Funktionalität ist erreicht“, sagt Projektleiter H. – die Robustheit des Systems müsse aber noch verbessert werden. „Damit wird das Projekt noch einmal einen großen Schritt nach vorne machen.“

von Timo Kather

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