Reservistentagung in Berlin

„Wir müssen in der Lage sein, für unsere Werte einzustehen“

„Wir müssen in der Lage sein, für unsere Werte einzustehen“

Datum:
Ort:
Berlin
Lesedauer:
4 MIN

Die Reserve der Bundeswehr stellt sich für ihre Aufgaben in der Landes- und Bündnisverteidigung neu auf. Auf der Jahrestagung der Reserve in Berlin ging es um den aktuellen Stand bei der Stärkung des Heimatschutzes und der Grundbeorderung von ausscheidenden Soldatinnen und Soldaten. Ministerin Lambrecht wies auf die gestiegene Bedeutung der Reserve hin. 

Lambrecht steht an dem Rednerpult und redet zu dem Publikum der Reservistentagung in Berlin.

Verteidigungsministerin Christine Lambrecht stellt bei der Reservistentagung in Berlin mehr Ausrüstung für die aktive Truppe und Reservisten in Aussicht

Bundeswehr/Torsten Kraatz

Wenn die Verteidigungsministerin auf die Reserve der Bundeswehr trifft, ist das für alle ein besonderes Erlebnis. „Diese Männer und Frauen sind engagiert, couragiert und dienen mit Herz und Verstand“, sagt Christine Lambrecht. „Dieses Engagement gilt es wertzuschätzen und zu fördern.“

Genau das macht Lambrecht auf der Jahrestagung der Reserve in Berlin. Rund 300 Expertinnen und Experten aus Verteidigungsministerium, Reservistenverbänden und Truppe diskutieren am 21. und am 22. Oktober über Lage und Zukunft der Reserve. 100 weitere Teilnehmende haben sich via Internet eingeloggt. Inhaltliche Schwerpunkte sind die Umsetzung der Strategie der Reserve, der Heimatschutz und die sogenannte Grundbeorderung. 

Erste Reservistentagung nach Ausbruch des Ukrainekriegs

Die Reservistentagung fand noch nie in einer ähnlich angespannten politischen Lage statt: Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine hat die sicherheitspolitischen Koordinaten in Europa verschoben. Darüber sind sich die Fachleute einig. „Wir müssen unsere Bürgerinnen und Bürger verteidigen können“, sagt Lambrecht. 

Auch den Präsidenten des Verbands der Reservisten der Bundeswehr treibt die internationale Sicherheitslage um. Patrick Sensburg ist überzeugt, „dass wir erleben werden, dass auch dieses Jahrhundert geprägt sein wird von militärischen Auseinandersetzungen.“ Gerade deshalb kommt es Sensburg auf eine glaubwürdige Abschreckung an – und als Voraussetzung für diese auf eine einsatzbereite Truppe mit einer starken Reserve.  

Eine Aufnahme von dem stellvertreter des Generalleutnant Markus Laubenthal der gerade zum Publikum spricht.

Generalleutnant Markus Laubenthal, Stellvertreter des Generalinspekteurs der Bundeswehr und Beauftragter für Reservistenangelegenheiten der Bundeswehr, möchte bei Aufstellung und Ausbildung der Reserve schnell vorankommen

Bundeswehr/Torsten Kraatz
Professor Dr. Patrick Sensburg steht am Rednerpult und hält eine Rede zu dem Publikum.

Oberst d. R.der Reserve Patrick Sensburg freut sich als Präsident des Verbandes der Reservisten der Bundeswehr über die gute Zusammenarbeit mit Ministerium und aktiver Truppe

Bundeswehr/Torsten Kraatz

Sechs Heimatschutzregimenter werden aufgestellt

Die Reserve ist unverzichtbar für die Durchhaltefähigkeit“, sagt Generalleutnant Markus Laubenthal. Laubenthal ist Stellvertreter des Generalinspekteurs, zugleich Beauftragter für Reservistenangelegenheiten der Bundeswehr und treibende Kraft bei der Weiterentwicklung der Reserve. Er verspricht, „dass wir die Strategie der Reserve planmäßig umsetzen und mit der Reserve weiter stramm vorwärts marschieren.“

Die Strategie der Reserve gilt seit Oktober 2019. Sie ist Fahrplan und Marschrichtung für die Reserve in einem. Laut Laubenthal wird die Strategie „planmäßig umgesetzt und – wo nötig – angepasst“. Zwei Anpassungen sind dem Generalleutnant besonders wichtig: Erstens stellt die Bundeswehr insgesamt sechs statt der bisher geplanten fünf Heimatschutzregimenter auf. Zusätzlich zu den bisherigen Planungen soll das sechste Heimatschutzregiment bis 2024 in Niedersachsen am Standort Nienburg an der Weser entstehen. Zweitens möchte Generalleutnant Laubenthal mit dem neuen Projekt „Reserve 2025 – Schutz und Sicherung, Inland“ schon in den nächsten drei Jahren „wesentliche Befähigungen erreichen“, um sensible verteidigungswichtige Infrastruktur im Inland besser zu schützen.  

60.000 grundbeorderte Soldatinnen und Soldaten bis 2027

Eine zentrale Rolle spielt dabei die Grundbeorderung. Jeder wehrfähige Soldat und jede wehrfähige Soldatin erhält in Zukunft einen festen Platz in der Reserve, sobald er oder sie ihren Dienst in der aktiven Truppe beendet. In sechs Jahren möchte die Bundeswehr auf diese Weise die 60.000 Dienstposten in den Strukturen der Truppen- und Territorialen Reserve besetzen. 

Vor einem Jahr wurde das neue Verfahren eingeführt. Für das Verteidigungsministerium hat Oberst i.G. Peter Haupt das erste Jahr Grundbeorderung untersucht. „Der Start war verhalten“, fasst Haupt das Ergebnis seiner Evaluation zusammen. Doch es zeige sich auch, dass die Grundbeorderung „mehr und mehr in den Organisationsbereichen ankommt.“ Optimierungspotenzial gebe es zum Beispiel bei den Beratungsgesprächen für diejenigen, die aus dem aktiven Dienst ausscheiden, sowie bei organisatorischen Abläufen. Jeder Vorgesetzte sei gefordert.

Die Grundbeorderung soll der Bundeswehr im Spannungs- oder Verteidigungsfall die rasche Verfügbarkeit einer gut ausgebildeten Reserve sichern. Wie nötig eine einsatzbereite Reserve für den schnellen Aufwuchs einer Verteidigungsarmee ist, das habe sich in der Ukraine im Frühjahr gezeigt, sagen auf der Reservistentagung gleich mehrere Experten. 

Territoriales Führungskommando für den Heimatschutz

Eine weitere zentrale Aufgabe der Reserve ist der Heimatschutz. Und zwar sowohl in Friedenzeiten als auch im Spannungs- oder Verteidigungsfall. Zum einen unterstützt die Bundeswehr im Rahmen der Amtshilfe zivile Behörden bei der Bewältigung von Naturkatastrophen. Zum anderen muss sie verteidigungswichtige Infrastruktur im Inland schützen. Das übernimmt die Territoriale Reserve mit ihren Heimatschutzregimentern. Generalleutnant Carsten Breuer soll beides als Befehlshaber des neu aufgestellten Territorialen Führungskommandos der Bundeswehr sicherstellen. 

„Mit Sicherheitspolitik müssen wir uns auch in Zukunft ernsthaft und sachlich weiter beschäftigen“, sagt die Verteidigungsministerin. Also auch dann noch, wenn der Krieg in der Ukraine eines Tages sein Ende gefunden hat. „Wir müssen in der Lage sein“, sagt Christine Lambrecht, „für unsere Werte einzustehen.“ Die Bundeswehr und ihre Reserve sind bereit.

von Rüdiger von Schönfels

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