Nächster Schritt: Gefahren frühzeitig erkennen

Nächster Schritt: Gefahren frühzeitig erkennen

Datum:
Ort:
Ségou
Lesedauer:
4 MIN

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Der 23-jährige Lassine Traore aus einer malischen Infanteriekompanie musste vor einigen Wochen Tod und Verwundung kennenlernen. Während der Anreise zum Kurs der EUTMEuropean Union Training Mission fielen fünf Soldaten der Einheit einer versteckten Sprengfalle zum Opfer. Die europäischen Ausbilder haben nun den Auftrag, der Kompanie beizubringen, wie man Sprengladungen sicher aufklärt, Patrouillen plant und einen Checkpoint betreibt. Dadurch soll die Gefahr potenziell tödlicher Anschläge im anstehenden Einsatz der Kompanie so weit wie möglich reduziert werden.

Zwei deutsche Soldaten laden Material aus einem Kofferraum, während eine Gruppe Malier im Hintergrund winkt

Die Ausbilder werden am Ausbildungsort von malischen Soldaten begrüßt, die gerade vom Sport kommen

Bundeswehr/Markus Bayer

Der Ball springt über die Löcher auf dem sandigen Fußballplatz. Die Fußballer lachen und winken den deutschen Soldaten zu. Man kennt sich hier in der Kaserne der 2. Militärregion von Ségou und die Trainer der Europäischen Ausbildungsmission (EUTMEuropean Union Training Mission) in Mali gehören dazu. Auf dem Fußballplatz des Camps soll in wenigen Minuten eine infanteristische Ausbildung beginnen. Die Trainer der EUTMEuropean Union Training Mission werden den malischen Soldaten heute die Personenkontrolle sowie den Aufbau und Betrieb eines Checkpoints näherbringen.

Im November begann der Kurs nicht so fröhlich wie heute, sondern mit einer Meldung, die in Mali fast täglich zu lesen ist: „In der Region Ségou wurde ein Fahrzeug der FaMa [Forces armées maliennes; dt.: malische Streitkräfte] Ziel einer Sprengfalle. Fünf Soldaten sind bei dem Vorfall gefallen.“ Die Meldung ist am 30.10.2021 auf der Seite von „Larmes des pauvres“,  einem bestens vernetzten Sicherheitsblogger aus der Sahelzone, erschienen. Ein Kursteilnehmer berichtet, was vorgefallen ist: „Die Soldaten der Kompanie wollten Zeit sparen und haben einen Vulnerable Point, kurz: VPVulnerable Point, wie viele Male zuvor knapp umfahren und sind wieder auf die Straße gebogen. Genau an dieser Stelle war die Ladung versteckt.“

Ein VPVulnerable Point ist ein Ort auf der Karte – beispielsweise ein unter der Straße verlaufendes Abwasserrohr –, der aufgrund seiner Beschaffenheit für den Gegner ein günstiger Ort für eine versteckte Sprengfalle sein kann. Alle am 30. Oktober  gefallenen Soldaten waren aus der 215. Motorisierten Infanteriekompanie und befanden sich auf dem Weg zum Einsatzvorbereitungskurs der EUTMEuropean Union Training Mission Mali.  

Ausbildungsthemen, die Leben retten können

Zwei malische Soldaten kontrollieren die Radkästen eines Fahrzeuges

Bei der Checkpointausbildung müssen neben Personen auch Fahrzeuge kontrolliert werden

Bundeswehr/Markus Bayer

Der Kurs in Ségou ist als vierwöchige Einsatzvorbereitung gedacht und setzt sich gezielt mit Themen auseinander, mit denen die Kompanie im Einsatz konfrontiert werden könnte. Ziel ist es unter anderem, die Aufklärung und den Kampf gegen improvisierte Sprengfallen zu verbessern sowie die notwendigen Kenntnisse zu vermitteln, um Konvois zu planen und sicher durchzuführen. Ein Thema des Kurses ist auch der VPVulnerable Point-Check. Dort wird den Soldaten beigebracht, mit welchen Abläufen versteckte Sprengfallen relativ risikoarm gefunden werden können und mit welchem Mindestabstand diese Punkte umfahren werden sollten.

Die Kursteilnehmer hören den Erklärungen der Ausbilder aufmerksam zu. Lassine Traore  ist einer der Teilnehmenden. Seine Lieblingsthemen sind Verteidigung gegen Hinterhalt und Counter-IEDImprovised Explosive Device. „Die Themen können uns helfen zu überleben“, erklärt er. Starke Worte, jedoch durchaus realistisch, wenn man die täglichen Meldungen in den malischen Nachrichten verfolgt. Dieses Bewusstsein ist in der Kompanie weit verbreitet. Das unterstreichen auch die Teilnehmerzahlen am Kurs. Im Durchschnitt nehmen 113 von den insgesamt 120 gemeldeten malischen Soldaten täglich an der Ausbildung teil.  

Ausgebildet wird auch in Zentral- und Nordmali

Für die malischen Streitkräfte sind die Trainings der Europäischen Ausbildungsmission ein wichtiger Bestandteil in der Einsatzvorbereitung. Die EUTMEuropean Union Training Mission ist inzwischen in allen großen Militärschulen in Mali vertreten. „Zu Beginn in 2013 und in den ersten Folgejahren waren noch alle Ausbildungen in Koulikoro“, bestätigt Colonel Didier Dembele aus Ségou, der Kommandeur der 2. Militärregion in Mali. Der Konflikt in Zentral- und Nordmali erschwerte es den malischen Kommandeuren, ihre Soldaten durch das ganze Land zu senden. Inzwischen gibt es Kurse in Sévaré, Gao, Ségou und natürlich immer noch in Koulikoro. „Die direkte Kommunikation vor Ort macht es jetzt deutlich einfacher“, unterstreicht der Colonel. Auch die Trainer können auf diese Weise schneller auf Änderungen reagieren.

Auch mit der Einsatzausbildung der Kompanie ist Colonel Dembele sehr zufrieden. Der malische Kommandeur schätzt beim Kurs vor allem die Flexibilität bei Ausbildungsthemen. Im Gespräch zeigt er dem Kursleiter Fotos einer „Daisy Chain“, die seine Soldaten am Morgen entdeckt haben. Daisy Chains sind mehrere versteckte Sprengladungen, die über ein Kabel verbunden sind und in einer Explosion mehrere Fahrzeuge eines Konvois gleichzeitig zerstören können. „Das könnte man doch auch in der Ausbildung nutzen“, schlägt er vor. Noch am gleichen Abend wird der Wunsch umgesetzt und von den Trainern in den Ausbildungsplan der nächsten Woche integriert.

Nächster Schritt: Einsatz in Tenenkou

Eine Gruppe malischer Soldaten sammelt sich um einen Soldaten mit einer eingerollten Karte in der Hand

Nachbesprechung: Zum Ende der Ausbildung sammelt sich die Kompanie um ihren Kompaniechef

Bundeswehr/Markus Bayer

Für die malischen Streitkräfte sind die Kurse der EUTMEuropean Union Training Mission Goldwert. Auch Colonel Dembele weiß das. Er erklärt, er erhoffe sich einen permanenten Verbindungsoffizier der EUTMEuropean Union Training Mission Mali in Ségou, dem er gerne ein eigenes Büro bei sich im Stab gäbe. Die EUTMEuropean Union Training Mission koordiniert ihre Ausbildung mit den malischen Streitkräften zentral. Aber ein direkter Zugang vor Ort würde die Reaktionsfähigkeit erhöhen und könnte langfristig einen höheren Ausbildungsstand seiner Soldaten ermöglichen.

Den 23-jährigen Lassine Traore  beschäftigen derzeit andere Gedanken. Bei ihm steht in der folgenden Woche die Abschlussübung des Kurses an. Patrouillen, Angriffe aus dem Hinterhalt und mindestens eine Daisy-Chain erwarten ihn, bevor es in zwei Wochen in den Einsatz nach Tenenkou geht. Für die Trainer geht es dann in die Vorbereitung des nächsten Kurses. Auf dem Lehrplan wird morgens wieder Sport eingeplant sein. Die malischen Soldaten werden Fußball spielen, den europäischen Ausbildern freundlich lachend zuwinken – und wenigstens in dieser Zeit den Konflikt im Land ein wenig ausblenden können.

von Markus Bayer

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