Sanitätsausbildung unter Stress in Staub und Sand
Sanitätsausbildung unter Stress in Staub und Sand
- Datum:
- Ort:
- Tillia
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- 3 MIN
Ob bei der Ausbildung nigrischer Spezialkräfte oder bei der Unterstützung der Spezialkräfte der Bundeswehr: die Fallschirmjäger mit erweiterter Grundbefähigung der Quick Reaction Force der JSOTFJoint Special Operations Task Force Gazelle sind überall gefordert. Auch im Einsatz in Niger halten sich die Fallschirmjäger EGBErweiterte Grundbefähigung einsatzbereit, auch sanitätsdienstlich.
Zur QRF gehört auch ein luftbeweglicher Arzttrupp. Oberstabsarzt Max ist fachlicher Führer dieses Trupps. Er gehört zu den Heeressanitätskräften und ist wie alle Angehörigen des Fallschirmjäger mit erweiterter Grundbefähigung-Zuges beim Fallschirmjägerregiment 31 in Seedorf stationiert. Zu seinen Aufgaben zählt neben der medizinischen Erstversorgung Verwundeter oder Verletzter die sanitätsdienstliche Weiterbildung der Kameradinnen und Kameraden. Alle Bundeswehrangehörigen sind grundsätzlich in Selbst- und Kameradenhilfe ausgebildet und beherrschen dadurch medizinische Basisfertigkeiten. Fallschirmjäger EGBErweiterte Grundbefähigung sind Spezialisierte Kräfte des Heeres, die besonders befähigt sind, um mit Spezialkräften eng zusammenarbeiten zu können. Für sie ist daher auch eine intensivere sanitätsdienstliche Ausbildung erforderlich.
Untersuchung strikt nach MARCHMassive hemorrhage, Airway, Respiration, Circulation, Head injury/Hypothermia-Schema
In einem ersten Schritt wird das Untersuchen eines Verwundeten geübt. Dafür gibt es ein spezielles Verfahren, das MARCHMassive hemorrhage, Airway, Respiration, Circulation, Head injury/Hypothermia-Schema. Es geht darum, tödliche Verletzungen schnell zu entdecken und zuerst zu versorgen. M steht für Massive Bleeding (schwere Blutungen), A für Airway (Atemwege), R für Respiration (Atmung), C für Circulation (Kreislauf) und H für Hypothermia/Head (Unterkühlung/Kopfverletzung). In den letzten Ausbildungen hätten sich laut Max gelegentlich Unsicherheiten in der Reihenfolge gezeigt. Seine Absicht ist es nun, die Stresssicherheit der Soldaten beim Anwenden des Untersuchungsschemas zu verbessern. „Die Jungs sollen vorbereitet werden für den Fall, dass sie dies im Ernstfall bei einem Kameraden machen müssen. Dazu müssen sie in jeder Situation handlungssicher sein und im Team zusammenarbeiten.“
Drillausbildung rettet im Ernstfall Leben
Für Oberstabsarzt Max steht fest, dass nur regelmäßige Drillausbildung die notwendige Handlungssicherheit schafft. „Wir trainieren heute mit Viererteams einen im Gefecht Verwundeten zu bergen, nach dem vorgegebenen Ablauf zu untersuchen und lebensrettende medizinische Maßnahmen durchzuführen.“ Das geschieht in voller Gefechtsausrüstung und unter Stress. Der Übungsverwundete soll in einen geschützten Bereich transportiert und dort untersucht werden, um ihn abschließend an die Sanitätskräfte übergeben zu können. Um es schwieriger zu machen, werden zusätzlich zu Hitze und Sand Stressfaktoren wie körperliche Belastung erzeugt oder in Form von Sinnesstörungen eingespielt. Es gibt Rauchkörper, laute Musik oder störende Kameraden, wiederkehrende Unterbrechungen durch Weitertransport des Verwundeten sowie ein Zeitlimit für jede Untersuchungsetappe.
Atmung, Blutung, Body Check
Auf „Los!“ laufen die vier voll ausgerüsteten Fallschirmjäger zu ihrem als Verwundeter gekennzeichneten Kameraden. Rasch packen sie an, tragen ihn einige Meter durch dichten, roten Signalrauch in einen geschützten Bereich. Nachdem die Waffe abgenommen wurde, beginnt der erste Teil der Untersuchung. Wenige Sekunden später heißt es „Stellungswechsel!“ Wieder wird der Verwundete aufgenommen und zur nächsten Station geschleppt. Diesmal ertönt laute Musik aus einem Lautsprecher um Stress zu erzeugen. Weiter im Untersuchungsschema! Nach dreißig Sekunden eine erneute Unterbrechung mit Standortwechsel. Neugierige Kameraden bedrängen jetzt die Truppe bei ihrer Untersuchung und müssen gebändigt werden, bevor es weitergehen kann. An Waffe, Munition, Funkgerät, Packtaschen, Helm und Schutzweste sind die Fallschirmjäger zwar gewöhnt, die körperliche und geistige Belastung bei über dreißig Grad Umgebungstemperatur in Verbindung mit dem allgegenwärtigen Staub treibt den Männern während der mehrstündigen Weiterbildung schließlich doch den Schweiß ins Gesicht.
„Das, was die Männer hier leisten, überzeugt mich“, bewertet Oberstabsarzt Max die Übung. „Jeder ist voll bei der Sache, die Abläufe sitzen selbst unter den fordernden Bedingungen.“ Das sei bei diesem ersten Schritt der Selbst- und Kameradenhilfe besonders wichtig, weil eine gründliche, umfassende Untersuchung eines Verwundeten die Grundlage für die weitere medizinische Versorgung bildet. Würden hierbei Verletzungen übersehen oder bei der Übergabe an das Sanitätspersonal vergessen, könnte dies im schlechtesten Fall tödlich für den Verwundeten sein. Max ist zufrieden mit dem Leistungsstand der spezialisierten Fallschirmjägerkameraden. Sein Lob bei der Abschlussbesprechung sorgt für ein Lächeln in den schweißverschmierten Gesichtern, wissen doch damit alle, dass sie sich in einem Ernstfall auch in diesem Bereich aufeinander verlassen können.