Interview

Acht Fragen an den Kontingentführer

Acht Fragen an den Kontingentführer

Datum:
Ort:
Tillia
Lesedauer:
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Der Kontingentführer der Joint Special Operations Task Force Gazelle, Fregattenkapitän Sebastian Schuldt, gibt Einblicke in den Einsatz in Tillia.

8 Fragen an Sebastian Schuldt

Fregattenkapitän

Kontingentführer Fregattenkapitän Schuldt im Camp Tillia.
Bundeswehr/Benjamin Bendig

Was ist im Vergleich zu anderen Einsätzen der Bundeswehr das Besondere am Einsatz Gazelle?

Kontingentführer Fregattenkapitän Schuldt im Camp Tillia.

Der Einsatz der Joint Special Operations Task Force Gazelle ist eine Kombination aus einem Spezialkräfte Military Assistance Ansatz und der Ertüchtigungsinitiative der Bundesregierung. Dadurch war es möglich, mit einem vergleichsweise geringen Kräfteansatz nigrische Spezialkräfte flexibel auszubilden und zu beraten sowie die materielle Ausstattung unserer Partnereinheit zu verbessern sowie die erforderliche Infrastruktur zu finanzieren. Das aufeinander aufbauende Zusammenspiel dieser Aspekte ist im Vergleich zu anderen Einsätzen einzigartig.

Welche besonderen Rahmenbedingungen zeichnen den Einsatz aus?

Kontingentführer Fregattenkapitän Schuldt im Camp Tillia.

Als wesentliche besondere Rahmenbedingung bezeichne ich die isolierte Lage des Camp Tillia. Die nächsten deutschen Kräfte befinden sich über 400 Kilometer weit entfernt. Es führt keine befestigte Straße hierher, was Nachschub und Rückverlegung maßgeblich beeinflusst. Die behelfsmäßige Landebahn in Tillia bildet im übertragenen Sinne „die Nabelschnur“ nach Niamey und die westliche Welt. Der Schutz des deutschen Camps wird durch Niger sichergestellt. Bis auf unseren nigrischen Partner sind wir hier mit unserem ca. 200 Personen starken Verband auf uns allein gestellt.

Der Bundeskanzler hat bei seinem Besuch den Einsatz Gazelle als Erfolg gewürdigt. Woran machen Sie vor Ort diesen Erfolg fest?

Kontingentführer Fregattenkapitän Schuldt im Camp Tillia.

Grundlage für den Erfolg: klar formulierte Ziele, zeitlich befristetes Engagement und maximale Teilhabe der Partnernation. Ausgangspunkt für die Unterstützung unseres nigrischen Partners war die gemeinsame Definition der zu erreichenden Ziele. Dabei ging es darum, konkret festzuschreiben, was wir bis zu einem bestimmten und ebenfalls festgeschriebenen Zeitpunkt erreichen wollten. Die Ziele sollten messbar, erreichbar und damit nicht überambitioniert sein, gleichzeitig aber einen Beitrag zur Stärkung der Sicherheitsstrukturen in dem afrikanischen Staat leisten. Gerade mit dem Kommandeur der nigrischen Spezialkräfte haben wir einen Partner, der mit einem klaren Konzept und eigenen Vorstellungen, ausgerichtet an dem Machbaren, sich in den Prozess eingebracht hat. Auch die Ausbildung unseres Partnerverbandes wurde von ihm begleitet, Fortschritte gewürdigt. Es wurde auch von nigrischer Seite nachgesteuert, wo es erforderlich war.

Wie hat sich die Zusammenarbeit mit den nigrischen Partnern dargestellt?

Kontingentführer Fregattenkapitän Schuldt im Camp Tillia.

Die Partnerschaft hat sich als loyale und respektvolle Zusammenarbeit auf Augenhöhe dargestellt. Stets den Bedarf der nigrischen Spezialkräfte im Fokus wurde sich gegenseitig abgestimmt und das weitere Vorgehen erarbeitet. Ausgeprägte Motivation beiderseits diente als Grundlage für die zügige Umsetzung des Auftrages. Der Erfolg dieses Military Assistance Engagements beruht auf einer über Jahre hinweg gemeinsam gewachsenen Vertrauensbasis.

Welchen Beitrag konnte der Einsatz Gazelle für die Herstellung / Verbesserung der nigrischen Sicherheitsarchitektur leisten?

Kontingentführer Fregattenkapitän Schuldt im Camp Tillia.

Gazelle verfolgt zwei wesentliche Ziele. Zum einen die Befähigung eines nigrischen Spezialkräfte-Bataillons im Kampf gegen Terrorismus und organisierte Kriminalität. Zum anderen die Unterstützung zum Aufbau und Betrieb der nigrischen Spezialkräfteschule. Der Kommandeur der nigrischen Spezialkräfte erwähnt gerne, dass das in Tillia ausgebildete Bataillon zur Spitze der nigrischen Streitkräfte gehört. Die Kompanien unseres Partnerbataillons werden neben den besonderen Aufgaben in der Region um Tillia, aber auch für Operationen in anderen Sicherheitszonen, so an der Grenze zu Mali und Burkina Faso sowie an der Grenze zu Nigeria, eingesetzt. Dies unterstreicht die hohe Leistungsfähigkeit der ausgebildeten Sicherheitskräfte.

An der Spezialkräfteausbildungseinrichtung werden alle nigrischen Spezialkräfte-Kompanien zertifiziert. So werden ein landesweiter Qualitätsstandard und eine einheitliche Ausbildungshöhe sichergestellt.

Zusammenfassend kann ich sagen, dass durch Gazelle die nigrischen Sicherheitsstrukturen gestärkt und eine signifikante Steigerung der Sicherheit in der Grenzregion zu Mali erreicht werden konnte. Mit Betrieb der Spezialkräfteschule wurden darüber hinaus die Voraussetzungen geschaffen, nachhaltig positive Effekte auf die Sicherheitslage in Niger zu erzielen.

Nach derzeitigem Stand geht der Einsatz der JSOTFJoint Special Operations Task Force Gazelle planmäßig zu Ende. Wo liegen die derzeitigen Herausforderungen bei der Rückverlegung aus dem Einsatzgebiet?

Kontingentführer Fregattenkapitän Schuldt im Camp Tillia.

Die schlecht ausgebaute Straßenverbindung von Tillia nach Tahoua und zur Hauptstadt Niamey bestimmt die Rückverlegung von Material. Auch das Wetter kann maßgeblich Einfluss auf den Abtransport von Material aus Tillia haben. Daher ist es schwer, exakt voraussagen zu können, wann welches Material nach Deutschland zurückgeführt werden kann. Zurzeit liegen wir im Zeitplan. Das gesamte Material, welches hier vor Ort schon nicht mehr gebraucht wird, ist bereits abtransportiert worden. Auf Grund der genannten Einflussfaktoren müssen wir eine gewisse Flexibilität an den Tag legen, um kurzfristige Änderungen kompensieren zu können.

Wie viel Material wird ungefähr nach Deutschland zurückverlegt werden?

Kontingentführer Fregattenkapitän Schuldt im Camp Tillia.

Neben gepanzerten Fahrzeugen, Hubschraubern und dem Personal der Task Force müssen ca. 230 Container an Material zurück nach Deutschland überführt werden. Diese beinhalten unter anderem Feldlagermaterial wie Feldküche, Sanitäranlagen, Wasseraufbereitungsanlage, Instandsetzungsmaterial und sanitätsdienstliches Material.

Kann der Einsatz Gazelle eine Blaupause für andere Einsätze sein? Wenn ja, warum? Wenn nein, warum nicht?

Kontingentführer Fregattenkapitän Schuldt im Camp Tillia.

Eine Blaupause dient zur Herstellung von exakten Kopien. JSOTFJoint Special Operations Task Force Gazelle würde ich so nicht als Blaupause bezeichnen. Eine exakte Kopie dieses Einsatzes lässt sich aus meiner Sicht schwer realisieren. Jeder Einsatz ist anders. Insbesondere bei Military Assistance kommt es darauf an, den Partner, die Nation, die Kultur und vor allem die Sicherheitsarchitektur zu verstehen sowie die genauen Bedarfe des Partners zu kennen und zu erkennen, um eine bestmögliche Unterstützung gewährleisten zu können. Diese Aspekte müssen differenziert betrachtet werden. Der Idee des „Local Ownership“ folgend ist es von entscheidender Bedeutung, auf die Bedürfnisse des Partners einzugehen, ein Verständnis über die Situation vor Ort zu erlangen und klar formulierte Ziele festzulegen, um im Zusammenspiel von Konzept, Kräften und Mittel wirkungsvolle Effekte erzielen zu können. Dies bildet die Grundlage für den Erfolg von Gazelle und sollte im Rahmen von Military Assistance-Einsätzen auch in Zukunft Beachtung finden.

von PAO JSOTF Gazelle

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