Weniger bleibt gut: Die Bundeswehr bei KFORKosovo Force - Interview

Weniger bleibt gut: Die Bundeswehr bei KFORKosovo Force - Interview

Datum:
Ort:
Pristina
Lesedauer:
3 MIN

Es ist der älteste Einsatz der Bundeswehr – KFORKosovo Force. Seit über 20 Jahren ist die Bundeswehr Bestandteil der NATO – Mission auf dem Balkan. Nach der Aufgabe des Feldlagers Prizren sind nun noch um die 70 deutsche Soldaten in der Hauptstadt Pristina stationiert. Was ist ihre Aufgabe bei KFORKosovo Force im Jahr 2019? Darüber spricht der derzeitige Kontingentführer in Pristina, Kapitän zur See Volker Brasen.

Nach 20 Jahren im Kosovo: Ist der Beitrag der Bundeswehr heute nur noch ein eher symbolischer Anteil an einem auslaufenden Einsatz?

Ein deutscher Offizier sitzt an seinem Schreibtisch

Kontingentführer des 54. Deutschen Einsatzkontingents KFORKosovo Force: Kapitän zur See Volker Brasen

Bundeswehr/Marc Tessensohn

Nein. Natürlich sind Symbole in der internationalen Politik wichtig und natürlich setzen wir als Deutsche auch ein Zeichen, wenn wir uns an dieser NATO – Mission unverändert beteiligen. Aber vergessen wir eines nicht: In diesem Land, auf dem gesamten Westbalkan existiert ungeachtet der derzeitigen Ruhe immer noch ein Konflikt. Und wir bleiben so lange hier, wie dieser ungelöst bleibt. Und wir als Deutsche leisten einen qualitativ hochwertigen Beitrag zu dieser Mission.





Der Begriff „qualitativ hochwertig“ ist hier häufiger zu hören. Können Sie diesen einmal etwas erläutern?

Ein Schild markiert den Eingang zum Hauptquartier der Mission KFOR

Herzstück des Camp Film City in Pristina: Das Hauptquartier KFORKosovo Force

Bundeswehr/Marc Tessensohn

Deutschland ist mittlerweile nur noch der achtgrößte Truppensteller, besetzt aber ein Viertel der Abteilungsleiterdienstposten im Hauptquartier. Das ist eigentlich vollkommen überproportional, zeigt aber, wie die multinationale Gemeinschaft unsere Rolle bei KFORKosovo Force sieht. Und auch wir wollen diese Mission nicht aus der Hand geben. So, wie die Struktur jetzt ist, können wir auch bei einem recht kleinen Kontingent immer noch einen entscheidenden Einfluss auf den Einsatz ausüben.




Wie stellt sich dies konkret dar?

Zwei Beispiele. Wir besetzen in diesem Hauptquartier unter anderem die Abteilungsleiter für Personal und für die operative Planung. Über die Gestellung eines Oberstleutnants als Abteilungsleiter in dem Bereich Personal haben wir direkten Einfluss auf die personelle Ausgestaltung der gesamten Mission. Und über meinen Bereich, der sich im Wesentlichen mit der Planung und operativen Ausrichtung von KFORKosovo Force beschäftigt, gestalten wir an entscheidender Stelle die Zukunft des Einsatzes mit.


Bislang sprachen wir ja vor allem über Verwendungen im Hauptquartier von KFORKosovo Force. Wir alle haben aber noch die Bilder von deutschen Soldaten vor Augen, die mit Fahrzeugen oder zu Fuß durch das Kosovo patrouillieren. Findet so etwas überhaupt noch statt?

Ein deutscher Stabsoffizier und eine weibliche Unteroffizier schauen auf einen Bildschirm

Ein starkes Team im Hauptquartier von KFORKosovo Force: Kapitän zur See Volker Brasen und Oberfeldwebel Verena W.

Bundeswehr/Marc Tessensohn

Nein, das ist in der Tat Geschichte. Allerdings sind wir nicht ganz aus dem öffentlichen Raum verschwunden. Nach wie vor sind Feldnachrichtenkräfte Bestandteil des deutschen KFORKosovo Force – Kontingents. Diese Fähigkeit bringt Deutschland neben neun anderen Nationen in die Mission ein, die Kameraden fühlen durch Gespräche und vielfältige Kontakte den Puls der Bevölkerung. Sie sind unsere Sensoren, eine Art Frühwarnsystem: Wie ist die Stimmung im Kosovo? Gibt es Reibungspunkte, braut sich gar etwas zusammen? Letztlich werden diese Informationen dann im Hauptquartier zu einem umfassenden Lagebild zusammengefasst – übrigens auch wieder von einem deutschen Stabsoffizier.

Gegenwärtig befinden sich rund 70 Soldaten im Deutschen Einsatzkontingent KFORKosovo Force. Sitzen die nun alle im Stab oder bei den Feldnachrichtenkräften?

Der Arm eines deutschen Soldaten mit dem Patch der NATO – Mission KFOR

Letzter operativer deutscher Anteil: Die deutschen Feldnachrichtenkräfte bei KFORKosovo Force

Bundeswehr/Marc Tessensohn

Nein, aber eine ganze Menge. Grob sind ca. 65% in multinationalen Stäben wie z.B. dem Hauptquartier KFORKosovo Force eingesetzt, ca. 35% stellen unser nationales Rückgrat dar: Auch unser Personal muss bundeswehrseitig betreut werden, wir benötigen Nachschub und Material des täglichen Lebens aus Deutschland, die Versorgung mit der üblichen ITInformationstechnik muss sichergestellt sein. Dazu kommt noch die reine Bundeswehrverwaltung, die das Finanzielle klärt, und beispielsweise auch die Feldpost.




In der Aufzählung habe ich aus meiner Sicht mindestens zwei wichtige Dinge vermisst: Logistiker und Sanitäter. Brauchen wir diese Fähigkeiten nicht mehr?

Ein deutscher Stabsoffizier heißt die Verteidigungsministerin willkommen

Besuch Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer in Pristina

Bundeswehr/Marc Tessensohn

Natürlich, wie jedes andere Kontingent auch. Allerdings versuchen wir, uns auf das Wesentliche zu konzentrieren und den Grundapparat möglichst klein zu halten. In vielen einsatzwichtigen Bereichen brauchen wir daher in diesem Einsatz Partner, vor allem unsere österreichischen und schweizer Kameraden, mit denen wir nicht nur hier sehr gut zusammenarbeiten. Die so genannte DACH – Gruppe, die Gemeinschaft besteht aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, ist so etwas wie unser  „Force enabler“, also die Kraft, die es uns ermöglicht, mit einem relativ kleinen Kontingent viel leisten zu können.

Letzte Frage, Herr Kap’tän: Wo sehen Sie KFORKosovo Force in den nächsten 20 Jahren?

Ein österreichischer Soldat steht an einem Auto und ein weiblicher deutscher Stabsoffizier sitzt in diesem Auto

Die DACH – Gemeinschaft: Ein österreichischer Militärpolizist und eine deutsche Frau Major

Bundeswehr/Marc Tessensohn


Da bleibt die Glaskugel relativ trüb. Wie ich schon sagte: Wir bleiben, solange der Konflikt in dieser Region ungelöst bleibt. Wie lange dies dauern wird, bleibt abzuwarten.

von Benedikt Hoff

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