Tornado-Experten aus Büchel glänzen als Impfhelfer in Doppelrolle

Unterschiedlicher geht es kaum: Hauptsächlich sorgen sie dafür, dass der technisch hochkomplexe Kampfjet Tornado professionell instand gesetzt und bewegt wird. Doch die Spezialisten des Taktischen Luftwaffengeschwaders 33 aus Büchel haben noch viel mehr drauf: Als Helfende Hände bewiesen sie jetzt Fingerspitzengefühl im Impfzentrum Lebach.

Vier Soldaten stehen vor einem Schild mit der Aufschrift „Impfzentrum Bundeswehr“

Aufgaben, so unterschiedlich wie nur möglich

Auf der einen Seite bauen sie gewaltige Jet-Triebwerke aus und ein, prüfen komplexe Flugzeugelektrik oder jagen demnächst mit Schallgeschwindigkeit durch die Wolken. Auf der anderen Seite stehen ganz andere Aufgaben: zumeist ältere Menschen auf dem Weg in die Impfkabine begleiten oder mit viel Fingerspitzengefühl den eintreffenden Zivilisten die oftmals vorhandene Angst oder Unsicherheit vor der Impfung gegen Corona nehmen. „Meine Mutter und meine Frau sind hier vor wenigen Tagen geimpft worden. Sie waren begeistert, wie reibungslos das alles von den Bundeswehrsoldaten organisiert wurde“, lobt beispielsweise ein 69-jähriger Rentner. „Und heute bin ich an der Reihe.“

Technik-Fachleute mit Fingerspitzengefühl

Das Impfzentrum der Bundeswehr in der Graf-Haeseler-Kaserne im saarländischen Lebach ist seit 1. März in Betrieb. Es handelt sich dabei um das bundesweit erste Impfzentrum innerhalb einer militärischen Liegenschaft. Vier Wochen später wurden die Öffnungszeiten – ebenfalls eine Premiere in Deutschland – auf einen Rund-um-die-Uhr-Betrieb an sieben Tagen die Woche ausgedehnt.

Die vom übrigen Kasernenareal durch einen Zaun abgegrenzte Einrichtung befindet sich in einer Sporthalle der Bundeswehr. Während die Streitkräfte das Personal stellen und das Impfzentrum betreiben, liegen Leitung und Terminvergabe in der Hoheit des saarländischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie.

Nahaufnahme von einem Schild mit der Aufschrift „Kabine 9 - Impfzentrum Bundeswehr“, im Hintergrund unscharf sitzen Personen

Das Impfzentrum der Bundeswehr hat am 1. März 2021 seinen Betrieb in der Graf-Haeseler-Kaserne in Lebach aufgenommen. Es ist eines von vier Impfzentren neben denen in Neunkirchen, Saarbrücken, Saarlouis im Saarland.

Bundeswehr/Carsten Borgmeier

Impfzentrum im 24-Stunden-Betrieb

„Ende März sind die Termine für die Nacht- und Sonntagsimpfungen auf dem zentralen Online-Buchungssystem des Saarlandes freigeschaltet worden“, berichtet Hauptmann Stefan Lange, „innerhalb kürzester Zeit waren alle dieser 15.000 Zusatztermine ausgebucht.“ Mittlerweile seien weit mehr als 90.000 Menschen aus dem Saarland in Lebach geimpft worden, ergänzt Lange, der als sogenannter Projektoffizier für die Kräfte aus Büchel und für den reibungslosen Betrieb des Zentrums mit verantwortlich ist.

Anfang des Jahres lebte und diente der angehende Luftwaffenpilot noch in den USA: In Wichita Falls nahe Dallas absolvierte der gebürtige Bochumer über mehrere Monate hinweg einen Großteil seiner fliegerischen Ausbildung. „Wir waren nahezu jeden Tag in der Luft. Das war großartig“, schwärmt der Offizier, der sich mit der Fliegerei einen Kindheitstraum erfüllt.

Doch seit dem 4. April zeigt Lange seine Führungsqualitäten im Impfzentrum: Dort teilt er zum Beispiel Tag für Tag die Schichten ein: „Die meisten Kameradinnen und Kameraden haben sich freiwillig gemeldet. Deshalb mangelt es uns nicht an Personal“, berichtet der 30-Jährige. Gleich zwei Schichten – von 7 bis 15 Uhr sowie von 15 bis 23 Uhr – werden vom Taktischen Luftwaffengeschwader 33 gestellt. Die dritte Schicht stellt die in Lebach stationierte Fernmeldekompanie des Eurocorps.

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Normalerweise fliegen und warten sie überschallschnelle Tornado-Jagdbomber. Doch im Amtshilfe-Einsatz zeigen die Spezialisten des Taktischen Luftwaffengeschwaders 33 aus Büchel, dass sie auch mit Menschen umgehen können: im Impfzentrum Lebach.

Das Impfzentrum Lebach

In 24 Stunden über 1.000 Menschen impfen

Pro Tag kommen in den drei Schichten insgesamt 108 Soldatinnen und Soldaten zum Einsatz. 66 dieser Frauen und Männer der Bundeswehr werden dabei im organisatorischen Ablauf als Helfende Hände tätig, während 42 Sanitätskräfte und Ärzte aus Cochem in neun Kabinen, darunter eine rollstuhlgerechte, die Menschen impfen. „In 24 Stunden werden das über 1.000 Personen sein“, sagt der Hauptmann, und Stolz darüber schwingt in seiner Stimme mit. „Wir bleiben hier so lange, wie wir gebraucht werden“, betont der Bochumer, auch wenn die schlimmsten Corona-Phasen überwunden zu sein scheinen.

Dankbarkeit, strahlende Augen und viele nette Gespräche werden Hubertus Schmitz aus seinem 14-tägigen Amtshilfe-Einsatz in Erinnerung bleiben. Der 52 Jahre alte Stabsfeldwebel ist von den Begegnungen im Impfzentrum regelrecht begeistert. „Es hat gut getan, die Leute zu betreuen und zu begleiten. Und ich verstehe meine Frau jetzt besser, denn sie hat beruflich viel mit älteren Menschen zu tun“, sagt der Luftfahrzeugmechaniker-Meister und fügt an: „Sonst bin ich ja eher der Techniker, hier durfte ich nur Mensch sein.“

Ein Soldat überprüft den Fanghaken an einem Kampfflugzeug vom Typ Panavia Tornado in einer Halle

Stabsfeldwebel Hubertus Schmitz aus dem Taktischen Luftwaffengeschwader 33 ist als Luftfahrzeugmechaniker-Meister für Wartung und Reparatur des Tornado verantwortlich.

Bundeswehr/Carsten Borgmeier
Ein Soldat mit Unterlagen in der Hand steht neben einem älteren Mann und spricht mit ihm

Erklären, zuhören, einweisen: Im Impfzentrum ist Stabsfeldwebel Schmitz viel enger am Menschen als in seiner normalen Funktion am Tornado.

Bundeswehr/Carsten Borgmeier

Dass er jetzt 14 Tage lang wegen der Amtshilfe im Impfzentrum seinen Arbeitsplatz in der riesigen Flugzeugwerft des Bücheler Fliegerhorstes nicht gesehen hat, nahm der Stabsfeldwebel als willkommene Abwechslung wahr. Dennoch freut er sich auf die Rückkehr in den Hangar: „Ich bin seit 1993 am Tornado tätig, das ist mein Baby“, sagt Schmitz, der als Luftfahrzeugmechaniker-Meister der Fachrichtung Flugwerk quasi die gesamte äußere Hülle, die sogenannte Zelle, repariert und wartet.

Dazu gehören beispielsweise das Fahrwerk oder der Fanghaken am Heck der Maschinen. Turnusgemäß, etwa alle 150 Flugstunden, muss der Stabsfeldwebel diese sicherheitsrelevanten Bauteile prüfen – ein Job mit großer Verantwortung. „Obgleich ich schon fast 30 Jahre an diesem Flugzeugtyp arbeite, kenne ich noch lange nicht jede Schraube“, meint Schmitz mit Blick auf stetige Neuerungen an dem Mehrzweck-Kampfjet.

Vom Nissan zum Tornado

Als „schöne Erfahrung“ verbucht auch Daniel Elsen seinen Einsatz im Lebacher Impfzentrum: Der Oberfeldwebel und Luftfahrzeug-Elektriker war als „Helfende Hand“ gleich in mehreren Funktionen eingesetzt: So wies er eintreffenden Impf-Kandidaten Parkplätze zu, kontrollierte am Check-in und Check-out die Papiere der Menschen auf Vollständigkeit.

In Erinnerung bleibt ihm eine betagte Frau, die bei ihrer Ankunft im Impfzentrum „hoch nervös“ erschien. „Ich habe ihr in aller Ruhe den Ablauf erklärt und gesagt, dass sie bei uns gut aufgehoben sei“, berichtet der 29-Jährige. „Dann hat sie sich vertrauensvoll bei mir untergehakt, und wir sind die Impfstationen gemeinsam abgelaufen. Sie war sehr dankbar, als es geschafft war“, so der junge Oberfeldwebel aus der Eifel.

Ein soldat steht mit einem Klemmbrett in der Hand an einer Straße und lächelt in die Kamera

Oberfeldwebel Daniel Elsen aus dem Taktischen Luftwaffengeschwader 33 in Büchel weist im Impfzentrum der Bundeswehr in Lebach zu Impfende im Zufahrtsbereich ein

Bundeswehr/Carsten Borgmeier

Im Geschwader kümmert sich Elsen in der Instandsetzungsstaffel Schulter an Schulter mit Hubertus Schmitz um die Tornados. Der Oberfeldwebel ist hauptsächlich für die Elektrik der Maschinen zuständig. „Ich habe Kraftfahrzeug-Mechatroniker gelernt“, berichtet Elsen. „Hin zum Tornado war schon technisch gesehen ein riesiger Schritt“, sagt der 29-Jährige mit einem breiten Schmunzeln. So prüft Elsen zum Beispiel die Instrumente im Doppelsitzer-Cockpit regelmäßig auf einwandfreie Funktion. Auch ist er zuständig für die Kabelbäume sowie die Stromversorgung im Bordnetz der Tornados.

Beruhigen und beschleunigen

Stabsunteroffizier Elias Kiehlmeier gehört ebenfalls zur Instandsetzungsstaffel des Geschwaders. Der Fluggerätemechaniker ist im Schwerpunkt für die Tornado-Triebwerke zuständig. Die 14 Tage im Impfzentrum der Bundeswehr wertet er für sich als bereichernd, „schon allein wegen der vielen guten Gespräche mit den zu Impfenden“. Der 27-Jährige konnte wie seine Kameraden Elsen und Schmitz beruhigend auf Menschen einwirken, ihnen ein wenig die Angst vor Piks und Impfstoff nehmen.

Ein Soldat steht vor einem Kampfflugzeug vom Typ Panavia Tornado und lächelt in die Kamera

Stabsunteroffizier Elias Kiehlmeier ist Fluggerätemechaniker in der Instandsetzungsstaffel des Taktischen Luftwaffengeschwaders 33 in Büchel.

Bundeswehr/Carsten Borgmeier
Ein Soldat sitzt hinter dem Tresen einer Kabine und spricht mit einer Frau

Stabsunteroffizier Elias Kiehlmeier im Gespräch mit einer Impf-Kandidatin im Impfzentrum Lebach.

Bundeswehr/Carsten Borgmeier

Gleich nach Ende seines Amtshilfe-Einsatzes wartete eine weitere anspruchsvolle Aufgabe auf den jungen Rubenheimer: Ein Tornado des Geschwaders hatte kurz vor dem Start Probleme mit dem Nachbrenner: „Sobald ein solches Problem vom Piloten erkannt wird, bleibt die Maschine am Boden“, so der Stabsunteroffizier. In der Folge musste der Fehler gefunden werden. Um ihn lokalisieren zu können, wird die Maschine am Boden über ihren Fanghaken festgezurrt und das Doppel-Triebwerk maximal hochgefahren. „Bodenprüflauf nennt sich das“, erklärt Kiehlmeier.

Da bei solchen Tests besonders im hinteren Bereich des Flugzeuges enorme Kräfte wirken, hohe Temperaturen herrschen und es extrem laut wird, gelten strenge Sicherheitsregeln. So müssen alle Beteiligten zur Lärmschutzausstattung auch einen speziellen Nierengurt tragen, der innere Organe gegen Vibrationen schützt, die vom Triebwerk ausgehen. Kiehlmeier läuft mit Helm und Gehörschutz bestimmte Stellen an der Maschine ab, kontrolliert und justiert, während sein Vorgesetzter und Meister, Hauptfeldwebel Stefan Pfnür, im Cockpit sitzt und die Triebwerke auf Volllast ausreizt. Schließlich ist der Fehler gefunden, behoben, und die Maschine kann bald wieder an den Start gehen.

Positiven Eindruck hinterlassen und auf dem Boden bleiben

Die Soldatinnen und Soldaten des Bücheler Geschwaders haben durch den Corona-Einsatz bei der Bevölkerung einen tollen Eindruck hinterlassen. Nicht nur die vielen positiven Reaktionen vor Ort im Impfzentrum der Bundeswehr in Lebach beweisen das. Im Internet sind mehr als 500 Kommentare von Menschen zu lesen, die sich dankbar und zufrieden über ihren Aufenthalt dort äußern. Und trotzdem werden die Tornado-Experten deswegen nicht abheben, sondern weiter ihren Auftrag erfüllen – im Cockpit, auf dem Fliegerhorst und vielleicht auch wieder im Impfzentrum.

von Carsten Borgmeier

Der Kampfjet Tornado

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