Ein wachsames Auge über Meymaneh

Ein wachsames Auge über Meymaneh

Datum:
Ort:
Meymaneh
Lesedauer:
5 MIN

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Deutschland beteiligte sich seit dem 01. Januar 2015 an Resolute Support. Zum Schutz der Militärberater stellt das TAAC-NTrain Advise and Assist Command North  den Schwerpunkt ihrer Kräfte auf die Sicherung und die Sanitätskomponente, welche überwiegend mit deutschen Soldaten besetzt sind.

Blick aus einem Flugzeug

Mit einem blick über Afghanistan begann der Einsatz für Oberstabsgefreiter Andre P.

Bundeswehr / Middeldorf

„Das Gefühl, dass man nicht weiß, was einen erwartet. Über eine Stunde dauerte der Flug nach Meymaneh. Die Sicherheitslage ist angespannt, der Respekt vor der Aufgabe groß“, erinnert sich Andre an den ersten Tag im „Safe Haven“, einer militärischen Schutzeinrichtung, in die sich die Soldaten schnell zurückziehen können, wenn die Sicherheitslage bedrohlich wird. Seither sind die Tage für den Oberstabsgefreiten komplett durchgeplant.

„Uns schockt hier nichts mehr.“

Ein Soldat sitzt auf seinem Bett und zieht sich seine Kampfstiefel an

Nach der QRF-Phase macht sich Andre fertig für seine Schicht im Wachturm

Bundeswehr / Middeldorf

Morgens um vier Uhr klingelt der Wecker. Es ist still im großen Schlafbereich der Kameraden. Andre teilt sich mit knapp 80 Soldatinnen und Soldaten sein Quartier. Ein grünes Feldbett, ein Stuhl – mehr hat er nicht. Um das Bett herum liegt seine Ausrüstung, seine Waffe – ein G27 Präzisionsgewehr und ein paar persönliche Dinge. „Ich mache morgens die Stirnlampe an, rotes Licht, damit ich niemanden wecke. Für eine kurze Katzenwäsche schlüpfe ich schnell in meine Schlappen und gehe raus in den Sanitärcontainer. Schnell eine Schachtel Cornflakes mit Milch, das muss reichen“, beschreibt Andre seine morgendliche Routine.

Nach knapp 20 Minuten schnappt sich der Scharfschütze sein Gewehr, seinen Helm und seine Weste. „Ich ziehe alles draußen an, ich möchte niemanden wecken, das sind fast alles Schichtdiener. Bei einer Zigarette und einem schnellen Kaffee bekommen meine anderen Kameraden und ich ein Update der letzten Nacht. Uns schockt hier nichts mehr“, betont Andre fast schon nüchtern.

Einhundert Prozent wachsam

Ein Soldat läuft eine Treppe hoch und begibt sich in einen Wachturm

Der „Safe Haven“ besitzt mehrere Türme. Andre kennt sie mittlerweile alle. Routine soll sich aber nicht einschleichen

Bundeswehr / Middeldorf

Die Sicherheitslage im Westen Afghanistans ist kritisch, viele Unruheherde befinden sich rund um das Camp. Die 1.Brigade des 209. Korps der afghanischen Armee liegt direkt neben der rund 75.000 Einwohner zählenden Stadt Meymaneh. Der Hauptauftrag der deutschen Soldatinnen und Soldaten ist der Schutz der Militärberater des TAAC-NTrain Advise and Assist Command North , zurzeit gestellt von einem Team der USUnited States Army, sowie die sanitätsdienstliche Versorgung aller im Camp. Nicht einmal so groß wie ein Fußballfeld ist der Bereich, den es für Andre und seine Kameraden der 3. Kompanie des Panzergrenadierbataillons 212 zu schützen gilt.

Zu zweit machen sich Andre und ein Kamerad nach dem Lage-Update auf den Weg zu ihrem heutigen Wachturm. Ihr Weg führt sie über die Start- und Landebahn des Flugplatzes, an dem das Camp liegt. Die Sonne ist mittlerweile aufgegangen und reflektiert auf dem hellen Betonboden unter den Füßen. Über eine steile Treppe erreicht der ausgebildete Scharfschütze seinen Turm. Von hier aus heißt es für die nächsten sechs Stunden einhundertprozentig wachsam sein!

Drei Quadratmeter und zwei Soldaten

Ein Soldat zeigt Andre verschiedene Gelände- und Beobachtungspunkte durch die Öffnung im Turm

Andre und Marcel lösen die Nachtschicht ab. Material und schwere Waffen werden im kurzen Gespräch übergeben

Bundeswehr / Middeldorf

„Wie war die Nacht, gibt es neue Beobachtungen?“, steigt Andre sofort in das Übergabegespräch mit seinem Vorgänger ein. Auf rund drei Quadratmetern teilt er sich die nächsten Stunden den Platz mit seinem Kameraden. Marcel ist auch Oberstabsgefreiter, seit 2014 kennen sich die beiden. „Wir sind Freunde würde ich sagen, da spricht man in der Schicht auch über die Familie und tiefgründige Themen“, schmunzelt Andre. „Denn gerade im Einsatz ist es wichtig Bezugspersonen zu haben, mit denen man sich auch mal privat austauschen kann.“ Die Materialübergabe verläuft routinemäßig, die vorhandenen Waffen werden auf Funktionalität überprüft und Andre verstaut seinen Wasservorrat. „Essen dürfen wir hier nicht, höchstens mal ein Apfel ist ok. Alle Verpackungsreste oder Überbleibsel müssen sofort wieder verpackt werden. Schlangen und Mäuse sind keine seltenen Besucher hier im Beobachtungsturm.“ Zwischen den sogenannten Hescos, einer Art Schanzkorb gefüllt mit Erdreich, Sand und Steinen, finden die Tiere den so seltenen Schatten in der heißen Region. Diese Hescos bilden einen guten Schutz und das Fundament des Beobachtungsturmes. Nach der Übernahme geht ein Funkspruch an die taktische Operationszentrale, ein Bürocontainer im Inneren des „Safe Haven“. Dort sitzen ebenfalls Soldaten im Schichtdienst. Diese haben immer das aktuellste Lagebild vor Ort, führen alle Funksprüche und koordinieren die Bewegungen.

Nachts in Meymaneh

Ein Soldat beobachtet die freie Sicht durch ein Fernglas

Die Vorfeldbeobachtung ist essentieller Bestandteil seiner sechsstündigen Schicht

Bundeswehr / Middeldorf

Wenn man Andre fragt, welche Geräusche man hier in einer Nachtschicht hört, bekommt man ein beklemmendes Gefühl. „Über uns, vor uns, überall hört man Helikopter fliegen, der Dauerton der Stromaggregate hier im Camp hingegen fällt mir nach über 50 Tagen in Summe nicht mehr auf. Ein Geräusch, welches mich immer wieder zusammenzucken lässt, ist der morgendliche Ruf des Imams aus der nahegelegenen Moschee, mir wird in der Dunkelheit sofort wieder bewusst wo ich hier bin.“ Nachts kann man oft die Leuchtspur der Munition im Himmel sehen, die Schüsse gehen nicht in Richtung des „Safe Haven“. Aber man merkt, dass die Realität gerade hier im Westen Afghanistans von Krieg und Terror beherrscht wird.

Nach sechs Stunden ist die Schicht vorbei. Andre übergibt seinen Dienst an die Nachtschicht. Für ihn beginnen nun die sechs Stunden „Schlafphase“. Mit Kopfhörern in den Ohren und einer Schlafmaske bewaffnet geht’s ab ins Feldbett. Nach weiteren sechs Stunden heißt es: QRF-Phase. Was bedeutet das? In diesen Stunden ist der Oberstabsgefreite als Teil der „Quick Reaction Force“ in Bereitschaft. Sollte ein Angriff, ein Anfallen Verwundeter oder irgendetwas Vergleichbares eintreten, unterstützt Andre in allen dann erforderlichen Bereichen. Fast jeder Tag kann von Tod und Verwundung, in welcher Art und Weise auch immer, gekennzeichnet sein. Dennoch ist es wichtig, dass die Kameraden zusammenhalten, sich unterstützen und füreinander da sind. Gerade in Meymaneh ein wichtiger Aspekt. „Ich bin so stolz auf die Jungs hier, gerade die jüngeren Kameraden, die wurden hier ins kalte Wasser geschmissen und machen einen super Job. Diesen Zusammenhalt, die Einsatzbereitschaft und Kameradschaft mit guter Stimmung habe ich so noch nie erlebt“, fasst Andre das Lagebild der Truppe für Außenstehende sehr treffend zusammen.

Sein Vorgesetzter, Hauptmann Boris K., sieht das genauso. „Die Auftragsbilanz ist positiv zu bewerten, da unser Kräfteansatz offensichtlich den Feind bislang davon überzeugt hat, uns nicht anzugreifen. So können wir unseren Auftrag, das Sichern der Berater, ohne Probleme sicherstellen.“ Boris K. ist zu Recht stolz auf die Frauen und Männer, welche ihren Auftrag auch unter erschwerten Bedingungen, mit persönlichen Entbehrungen jede Sekunde engagiert erfüllen.

von Nicole Middeldorf

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