Materiallager Zeithain

Mehr als nur ein Materiallager: In Zeithain wird analysiert und geschraubt

Das Materiallager Zeithain ist ein Zentrum für die Bewertung und Instandsetzung von Radfahrzeugen der Bundeswehr. Von einfachen Reparaturen bis zum kompletten Neuaufbau ist hier in Abstimmung mit den jeweils zuständigen Nutzungsleitenden alles möglich. Dafür sorgen neben einer Handvoll Soldatinnen und Soldaten rund 130 zivile Mitarbeitende.

Eine Person schraubt an einem Fahrzeug in einer Halle, hinter ihm steht ein weiteres Fahrzeug

Vielseitige Spezialisten und Dienstleister

Eine simple Durchsicht oder doch der komplette Neuaufbau – was darf es sein? Im Materiallager Zeithain bewerten und reparieren Soldaten sowie zivile Beschäftigte der Bundeswehr jeden Tag Radfahrzeuge aus der Truppe. Viele Fahrzeuge sind zuvor beschädigt oder überholungsbedürftig aus den Einsätzen gekommen. Vor Ort werden sie wieder auf Vordermann gebracht oder zur Generalüberholung an die Industrie geschickt. Dabei sind die Nutzungsleitenden des Bundesamtes für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr in Koblenz (BAAINBwBundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr) immer mit im Boot. Und nebenbei hält der Standort auch noch ein prall gefülltes Lager mit verschiedensten Gütern und Wehrmaterial bereit.

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  • Fahrzeuge vom Typ Eagle IV und Transportpanzer Fuchs stehen auf dem Gelände
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    Materiallager Zeithain – Zentrum für Radfahrzeuge

    Im sächsischen Zeithain, etwa 50 Kilometer entfernt von der Landeshauptstadt Dresden, betreibt die Bundeswehr ein Materiallager. Allerdings werden von dort aus nicht nur Wehrgüter in die Truppe verschickt. Der Standort ist auch für die technische Prüfung von unterschiedlichen Radfahrzeugen der Bundeswehr zuständig. Unter anderem dafür besitzt Zeithain dafür einen eigenen Bahnanschluss. 

    Schon von außerhalb sind auf dem Gelände Dutzende Radfahrzeuge zu sehen. Viele tragen noch den Tarnanstrich der Einsatzgebiete. Auch das beste Gefechtsfahrzeug verschleißt, hat Pannen oder kann im Gefecht beschädigt werden. Kleinere Schäden reparieren im Einsatz gewöhnlich Instandsetzungstrupps vor Ort – schließlich muss die Truppe ihren Auftrag erfüllen können. Aber spätestens nach der Rückkehr in die Heimat steht sozusagen eine große Inspektion an. 

    Gesteuert werden diese Prozesse zentral aus dem Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr in Koblenz (BAAINBwBundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr). Dort sitzen die Nutzungsleitenden, denen die Ausrüstung und das Material zur Bewirtschaftung zugeordnet ist. Allerdings führen die Nutzungsleitenden das anvertraute Material ausschließlich digital über SAP. Zu sämtlichen Geräten existieren deshalb Datensätze mit allen relevanten Informationen. Für Fahrzeuge werden zudem Begleitpapiere geführt, in die auch technische Umbauten oder Kampfwertsteigerungen eingepflegt werden. 

    Verantwortlich hierfür sind in der Regel die Schirrmeister. Die zur Begutachtung in regelmäßigen Abständen erforderlichen technischen Prüfungen werden dagegen zentral vorgenommen. Und ein Großteil der Radfahrzeuge der Bundeswehr kommt dafür eben ins Materiallager Zeithain. Die erste Station ist dabei immer der Bereich Materialübernahme am Standort.

  • Zwei Personen stehen in einer Halle vor Werkzeugen, neben ihn ein Berge- und Abschleppfahrzeug Bison
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    Materialübernahme: Bewerten des Fahrzeugzustandes

    In der hellgetünchten Halle des Bereichs Materialübernahme steht ein Bergefahrzeug Bison. Der massige Vierachser ist erst einige Wochen zuvor nach Zeithain gekommen und noch mit abwaschbarer Tarnfarbe für Mali versehen. „Wir stellen zunächst die Vollzähligkeit der Zubehörsätze eines Fahrzeugs fest. Und wir schauen nach dem technischen Zustand des Materials“, erklärt Regierungsamtsinspektor Bodo P.*, der die Materialübernahme leitet. Beides sei für die Nutzungsleitenden wichtig, um unter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten eine Bewertung vornehmen zu können. 

    Ob nun die Zelle beschädigt oder der Zubehörsatz eines Fahrzeugs unvollständig ist – die Mitarbeitenden schreiben es auf. Grobbefundung nennen sie das hier. Tatsächlich gehen Denise H.* und ihr Kollege Udo N.* gerade endlose Teillisten durch. Vor ihnen sind auf langen Stahltischen bereits erfasste Zubehörteile ausgebreitet. Feuerlöscher, Schläuche und bewegliche Teile der Bergevorrichtung sowie zahllose Kleinteile. Ein riesiges Berge-Bison-Puzzle. Fachlagerist Udo N. ist seit zwei Jahren im Materiallager dabei, seine Kollegin als Quereinsteigerin erst seit Anfang des Jahres. „Wir gehen das systematisch an, dann behält man auch den Überblick“, sagt er. „Der Bison ist ein neues Fahrzeug für mich. Den habe ich noch nie begutachtet.“ 

    Seiner Schätzung nach werden sie drei bis vier Tage benötigen, um sich durch alle Listen des Bisons zu arbeiten. Kleinere Fahrzeuge wie der Eagle IV gehen deutlich schneller. In jedem Fall bleibt es in der Materialübernahme bei der Feststellung von Mängeln. „Wir gucken, ob der Blinker funktioniert und melden das weiter“, sagt Bodo P. „Repariert wird dann woanders.“ Kleinere Schäden können zumeist auch hier in Zeithain behoben werden. Bei schwerwiegenden Mängeln kämen die Fahrzeuge größtenteils zum Hersteller. Die Entscheidung darüber liegt immer beim Nutzungsleiter oder der Nutzungsleiterin am BAAINBwBundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr. „Das macht unsere Arbeit hier so wichtig. Denn wir liefern ihnen die Faktengrundlage für ihre Entscheidungen“, sagt P.

  • Mehrere Fahrzeuge stehen im Rahmen einer Instandsetzung in einer Halle
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    Instandhaltung und Fertigung

    Stabsfeldwebel Michael B.* ist bereits seit 2016 in Zeithain und als Leiter des Bereiches Instandhaltung und Fertigung die rechte Hand der Betriebsleitung für technische Prüfungen. Nach der Begutachtung durch die Kollegen in der Materialübernahme und der Entscheidung aus dem BAIINBw ist sein Bereich für viele Fahrzeuge die nächste Station. 

    Ausnahmen bestätigen aber die Regel: Durch Feindeinwirkung beschädigtes Gerät stelle einen Sonderfall dar, erklärt der Stabsfeldwebel. „Diese Technik landet nicht bei uns. Wenn die Fahrzeuge geborgen werden können, kommen sie zu einer Wehrtechnischen Dienststelle und werden dort begutachtet. So können wir zumindest etwas über etwaige Schwachpunkte der Fahrzeuge lernen und diese Mängel nach Möglichkeit abstellen.“ Defekte Technik, deren Rückführung in die Heimat unwirtschaftlich wäre, lässt die Truppe in der Regel im Einsatzland zurück. Gegebenenfalls wird zuvor alles Brauchbare ausgebaut. 

    Ein merkwürdig deformierter Eagle V in der Werkhalle ist das Gegenbeispiel. „Das ist ein Unfallauto aus Litauen“, erklärt der Stabsfeldwebel. „Der Rahmen ist verzogen, die Achse verbogen und die Räder stehen schräg. Aber die Zelle ist noch okay. Den kriegen wir wieder hin.“ Der Nutzungsleitende hat in diesem Fall angeordnet, dass das Fahrzeug instandgesetzt wird. Anderenfalls hätte man den Eagle V womöglich zur Hochwertersatzteilgewinnung genutzt. Mit anderen Worten: ausgeschlachtet. Allerdings wird er nicht in Zeithain repariert. Das Fahrzeug kommt zur Heeresinstandsetzungslogistik (HILHeeresinstandsetzungslogistik) – wieder ein Sonderfall.

  • Eine Person baut eine gepanzerte Frontscheibe von einem Fahrzeug vom Typ Enok in einer Halle aus
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    Dienstleister mit Spezialisten für jeden Bereich

    Aber die Zeithainer haben noch genügend andere Fahrzeuge, um die sie sich persönlich kümmern. In der Werkhalle stellt B. seinen Werkstattleiter vor. Insgesamt 31 Leute arbeiten hier. Vom KfzKraftfahrzeug-Meister über Spezialisten für Fahrzeugkonservierung oder Fernmeldetechnik bis zum Waffenmechaniker. Eine Kollegin ist im Büro für die Stapel von Unterlagen und Begleitpapieren verantwortlich, die zusammen mit den Fahrzeugen nach Zeithain strömen. „Ob man es mag oder nicht: Die Dokumentation ist ein wichtiger Teil unserer Arbeit“, sagt B. „Wir sind am Ende ein Dienstleister der Bundeswehr. Und hinter jedem Fahrzeug in unseren Hallen steht ein Termin für die pünktliche Fertigstellung.“ 

    Werden die Deadlines überschritten, können schnell Folgekosten anfallen. Denn auch die Instandsetzungspläne bei der Industrie sind eng getaktet. Ein Stück weiter hinten in der Halle stehen zwei Transportpanzer Fuchs mit Spezialausstattung für die Kampfmittelbeseitiger (EODExplosive Ordnance Disposal). Beide tragen noch ihre helle Mali-Tarnung. B. öffnet die Hecktür eines der Fahrzeuge. „Wir haben eine neue Sende- und Empfangseinheit für die Steuerung des Manipulators eingebaut“, erklärt der Stabsfeldwebel. „Die Meldung über die Fertigstellung geht nun ans BAAINBwBundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr.“ 

    Zum Abschluss der Tour zeigt B. auf mehrere geschützte Fahrzeuge Enok. Alle in unterschiedlichen Ausbaustufen. „Bei einigen Fahrzeugen tauschen unsere Mitarbeiter die Panzerverbundglasscheiben aus. Das muss sein, weil die Beschusssicherheit mit den Jahren nachlässt.“ Die Arbeit ist besonders aufwendig und verantwortungsvoll, weil die Zellen hinterher wieder vollen ballistischen Schutz haben müssen. „Da ist kein Raum für Fehler.“ Ein paar der Enoks gehören zur Instandhaltungsstufe 3. „Das bedeutet komplettes Zerlegen und dann Neuaufbau.“

  • Eine Person steht in einer Halle mit einem Akkuschrauber in der Hand vor einer Holzkiste
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    Standort mit Tradition und vielfältigen Aufgaben

    All das will verwaltet sein. Hauptmann Tobias M.* kümmert sich um den Bereich Zentrale Aufgaben in Zeithain. Die Führung der Liegenschaft ist einem Kameraden im demselben Dienstgrad anvertraut. Das Areal wird schon seit Jahrhunderten militärisch genutzt, heute bewirtschaftet die Streitkräftebasis noch rund 130 Hektar. Organisatorisch gehört das Materiallager übrigens zum Bundeswehrdepot Ost in Utzedel. „Wir sind so etwas wie eine abgesetzt operierende Kompanie“, erläutert M. das Konstrukt. „Vor Ort sind sechs Soldaten und zehn Beamte eingesetzt. Das Gros der hier Arbeitenden sind aber Zivilangestellte – insgesamt etwa 130.“ 

    In Summe verfügt die Leitung also über knapp 150 Menschen für 130 Hektar Gelände mit unzähligen Hallen. Hauptmann M. nickt: „Langweilig wird es hier nicht.“ Das hat auch damit zu tun, dass in Zeithain nicht bloß repariert wird. „Wir führen außerdem ein vollwertiges Materiallager. Das heißt, dass wir von der Schraube bis zum Gefechtsfahrzeug querschnittlich alle möglichen Güter und Wehrmaterialien vorrätig halten“, sagt M. 

    Für die vorschriftsmäßige Konservierung und Verpackung dieses Materials stellen Tischler vor Ort unter anderem passgenaue Holzkisten her. „Eine zweite, voll ausgestattete Tischlerei bei uns deckt vor allem den Bedarf für die Transportsicherheit des Wehrmaterials“, sagt M. Das Bewerten und die Instandsetzung von schadhafter Technik aus den Einsätzen ist also nur ein Teil des Auftrages der Zeithainer Logistiker. Aber ein sehr wichtiger.

    *Namen zum Schutz abgekürzt.

    von Markus Tiedke

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