Ausrüstung und Technik

Wehrhafte Tiere, kryptische Kürzel: So bezeichnet die Bundeswehr Gerät

Was verbirgt sich hinter der Hubschrauber-Bezeichnung Sea Lynx Mk88A? Warum heißt das Gewehr G36 so, wie es heißt? Und warum wurde ein Igel zum Puma? Wie militärisches Gerät benannt wird, ist eine Wissenschaft für sich – ein Überblick.

Ein Hubschrauber vom Typ Sea Lynx Mk88A mit Sonderfolierung steht auf einem Flugplatz

Wendig, kraftvoll, wehrhaft – der Schützenpanzer Puma der Bundeswehr macht seinem tierischen Namensgeber alle Ehre. Doch wie militärisches Großgerät schlussendlich benannt wird, ist auch das Ergebnis eines Verhandlungsprozesses zwischen dem Hersteller und der Bundeswehr als Kunden. Die Bundeswehr suchte unter der Projektbezeichnung „Schützenpanzer 3“ einen Nachfolger für den Marder. Bei der Industrie firmierte das künftige, noch zu entwickelnde Waffensystem unter dem Namen Panther. Doch schon die Wehrmacht hatte einen ihrer Panzer so benannt, also begann die Suche nach einem weniger vorbelasteten Namen.

Igel oder Eagle?

Vorübergehend war für den Marder-Nachfolger neben „Marder 2“ auch der Name „Igel“ im Gespräch. Doch der klingt wie das englische „Eagle“ für Adler und schließlich verständigten sich die Verantwortlichen darauf, den neuen Schützenpanzer nach dem amerikanischen Berglöwen Puma zu benennen. Haben sich alle Beteiligten geeinigt, kommen noch Nummern und Buchstaben ins Spiel, wenn das betreffende Waffensystem modifiziert oder weiterentwickelt wird. Beispiel: Die modernste Variante des Kampfpanzers Leopard 2 der Bundeswehr trägt den Zusatz A7V. Insider können daran exakt ablesen, wie der Panzer ausgestattet ist – und was ihn beispielsweise vom Leopard 2 A6M unterscheidet.

Soldaten steigen über die geöffnete Heckklappe eines Schützenpanzers Puma aus

Gut getarnt: ein Schützenpanzer Puma während einer Übung der Panzertruppenschule Munster. Der Puma gilt als „Mutterschiff“ der Panzergrenadiere. Er ist trotz 43 Tonnen Gewicht extrem beweglich und bietet hohen Schutz vor Minen und Panzerabwehrwaffen.

Bundeswehr/Marco Dorow

Bescheidenheit ist eine Zier: Lieber See-Luchs als Superlynx

Auch bei der Marine sind „Tiere“ im Einsatz: Die Bordhubschrauber der Fregatten basieren auf dem Modell Lynx („Luchs“) des britischen Herstellers Westland. Da sie für die Bedürfnisse von Seestreitkräften modifiziert wurden, bekamen sie die Typbezeichnung Sea Lynx.  Als der Hersteller später eine verbesserte Basisversion des Sea Lynx auf den Markt brachte, nannte er diese Super Lynx. Die von der Bundeswehr auf Basis der Super Lynx nachbeschafften oder umgerüsteten Hubschrauber blieben aber Sea Lynx und bekamen die neue, fortgeschriebene Bezeichnung Sea Lynx Mk88A. „Mk“ steht für das englische „Mark“ und bedeutet nicht mehr als Variante oder Version.

Manche Namen bleiben auch unverändert, etwa weil es NATO-Standards so vorsehen. Der NHNATO-Helicopter-90-Transporthubschrauber zum Beispiel wird von vielen NATO-Streitkräften eingesetzt; seine Bezeichnung ist eine Abkürzung für „NATO-Helicopter 90“. Die angehängte Zahl stellt klar, in welchem Jahr die Entwicklung des Systems begann.

Zwei Soldaten betanken eine Hubschrauber vom Typ NH-90 im Gelände

Mädchen für alles: Der Mehrzweckhubschrauber NHNATO-Helicopter-90 kann sowohl schwere Lasten als auch Personen transportieren. Im Heimatschutz hilft er bei der Waldbrandbekämpfung, hier bei einem Einsatz in der Sächsischen Schweiz, wo ihn zwei Soldaten betanken.

Bundeswehr/Sven Fischer
Ein Soldat schaut zu einem fliegenden Hubschrauber vom Typ Sea Lynx Mk88A mit Außenlast hoch

Vielfältig einsetzbar: Der Bordhubschrauber Sea Lynx Mk88A ist nicht nur treuer Begleiter von Fregatten, sondern spielt auch beim Transport eine wichtige Rolle. Das Außenlast-Absetzen übte die Besatzung eines Sea Lynx auf dem Flugplatz Karlshöfen.

Bundeswehr/Carl Schulze

Markenrechte machen Bezeichnungen kompliziert

Weniger kreativ, dafür aber streng logisch aufgebaut ist die Benennung der Handfeuerwaffen der Soldatinnen und Soldaten. Je nach Waffenart steht am Anfang ein Buchstabenkürzel, zum Beispiel „P“ für Pistole, „MP“ für Maschinenpistole, „MG“ für Maschinengewehr und „G“ für Gewehre. Diesen Buchstaben folgt in der Regel eine Zählnummer, also beispielsweise MG3, MG4, MG5. Dabei gilt als Faustregel: je jünger die Modellreihe, desto höher die Zahl.

Gibt es innerhalb einer Waffenart Waffen für verschiedene Zwecke oder in unterschiedlichen Kalibern, können Zählnummernblöcke zugewiesen werden: Was mit G2 beginnt, ist ein Scharfschützen- oder Präzisionsgewehr. G3 steht für Gewehre im Kaliber 5,56 Millimeter oder vergleichbar.

Ein Soldat mit dem Maschinengewehr MG3 in Stellung hinter einer Mauer

1.200 Schuss pro Minute: Das MG3 hat eine hohe Feuerrate und ist das Standardmaschinengewehr der Bundeswehr. Ein Maschinengewehrschütze gibt Kameraden Deckungsfeuer aus einer Stellung heraus beim Gefechtsdrillschießen während einer Übung in Klietz.

2022 Bundeswehr/Carl Schulze
Ein Soldat mit dem Gewehr G36 in Stellung hinter einer Mauer

Nicht ohne mein G36: Alle Rekrutinnen und Rekruten müssen sich in ihrer Grundausbildung im Schießen üben – und zwar mit dem G36, einem vollautomatischen Sturmgewehr. Ein Soldat trainiert mit einem G36 bei der Übung Grantiger Löwe 2 das Sichern.

Bundeswehr/Holger Hunger

Bei der Namensgebung muss dabei jedes Mal geprüft werden, ob ein Patent- oder ein Wortmarkenschutz seitens Dritter besteht. Weil die Katalogisierungsbehörde des Bundes auch für andere Dienststellen der Bundesverwaltung Modellbezeichnungen vergibt, kann eine Lücke in der Nummerierung der Bundeswehrwaffen entstehen. So folgte auf die Dienstpistole P1 der Bundeswehr die Pistole P7, weil die Bezeichnungen P2 bis P6 bereits anderweitig genutzt werden. Einwandfrei geklappt hat es mit der Logik fortlaufender Nummerierung dagegen bei den Bezeichnungen der Maschinengewehre: Nach dem MG3 kommt das MG4, dann das MG5, gefolgt vom MG6.

Standardgewehr der Bundeswehr ist das G36 – der Nummerierungslogik folgend eine Waffe des Kalibers 5,56 Millimeter.  Die Bezeichnungen G31 bis G35 waren aber bereits für Biathlongewehre vergeben. Das G36 heißt also schlichtweg deshalb so, weil die 36 die nächste frei Zahl war. Nachträgliche Änderungen an einem eingeführten Modell werden mit dem Zusatz A und der Nummer der Änderung ergänzt, also beispielsweise: G36A1. Der Nachfolger des G36 wird aber nicht G37, 38 oder 39 heißen, da auch diese Modellbezeichnungen schon vergeben sind.  Da man keine dreistellige Bezeichnung wollte, schied G310 ebenfalls aus. Die bisherige Logik durchbrechend, bekommt die Bundeswehr nun das G95.

Bei den Scharfschützen- und Präzisionsgewehren der Bundeswehr sieht es ähnlich aus. Derzeit nutzt die Bundeswehr das Scharfschützengewehr G22 in der Version A2. Bei den Spezialkräften kommen die Scharfschützengewehre G23, G24 und G25 zum Einsatz, die Bezeichnung G26 jedoch ist markenrechtlich schon belegt. Ein deshalb G27 genanntes vollautomatisches Gewehr schließt im Waffenmix der Infanterie zukünftig die Lücke zwischen Sturm- und Scharfschützengewehren. Es schließt sich das halbautomatische Selbstladegewehr G28 an, das auch zu den Präzisionsgewehren gehört. Auf 28 folgt 29 – das Scharfschützengewehr mittlerer Reichweite G29. Bereits in Planung befindet sich das Scharfschützengewehr kurzer Reichweite, das G210. Es heißt deshalb so, weil nach dem G29 mit der fortlaufenden Zahl 10 weitergezählt wird.

Fragt man sich jedoch, warum das G82 hinter dem „G“ eine „8“ statt einer „2“ stehen hat, stellt man fest: Die Systematik wird beim G82 schlicht durchbrochen. Das halbautomatische Präzisionsgewehr vom USUnited States-amerikanischen Hersteller Barrett mit großer Reichweite gegen technische Ziele kam als M82 im Jahr 1982 auf den Markt. Die Bundeswehr hat das Gewehr als G82 adaptiert. Warum? Der Ziffernblock „8“ war noch frei, und das G steht eben für eben „Gewehr“.

Schiffs- und Rumpfnummern sind nicht identisch

Nummern und Buchstaben werden auch zur Bezeichnung der Schiffe und Boote der Marine genutzt Die Bundeswehr führt ein Verzeichnis für Schiffsnummern, in der alles schwimmende militärische Gerät erfasst und eindeutig anhand einer Buchstaben- und Zahlenkombination identifiziert wird: Schiffstyp, Klasse und Name der einzelnen Schiffe sind darin verzeichnet. Schiffe gleicher Klasse sind unter der gleichen Klassennummer aufgeführt. Das Schiffsnummernverzeichnis dient sowohl als Register als auch als Chronik: Es listet alle Schiffe auf, die seit Gründung der Bundeswehr in Dienst gestellt wurden. Solange ein Schiff im Dienst steht, kann dessen Nummer nicht erneut vergeben werden.

  • Die Fregatte F 222 Baden-Württemberg läuft mit Schlepperunterstützung in den Hafen ein

    Namensgeberin einer ganzen Klasse: Unterstützt von Schleppern läuft die F222 „Baden-Württemberg“ in den Hafen des Marinearsenals Wilhelmshaven ein. Die Fregatten der Baden-Württemberg-Klasse vom Typ 125 sind weltweit technologisch führend.

    Bundeswehr/Susanne Krause-Weers
  • Die Fregatte F 223 Nordrhein-Westfalen fährt auf dem Wasser

    Durchhaltefähig: Zwei Jahre lang kann der Fregattentyp 125, hier die F 223 „Nordrhein-Westfalen“ in der Nordsee, mit 126 Soldatinnen und Soldaten auf See bleiben. Im Vier-Monats-Turnus lösen sich dabei mehrere Crews ab.

    Bundeswehr/Julia Kelm
  • Die Fregatte 224 ,,Sachsen-Anhalt'' fährt auf dem Wasser

    Ganz schön viel Schiff: So wie ihre Schwestern-Schiffe der Baden-Württemberg-Klasse ist die Fregatte 224 „Sachsen-Anhalt“ insgesamt fast 150 Meter lang, rund 19 Meter breit und hat einen Tiefgang von 5,4 Metern mit 7.200 Tonnen Verdrängung.

    Bundeswehr/Leon Rodewald
  • Fregatte F 225 Rheinland-Pfalz fährt auf dem Wasser. Hubschrauber Sea King fliegt im Hintergrund.

    Dream-Team: Ein Marinehubschrauber vom Typ MK41 Sea King bringt während einer Übung vor Norwegen Crewmitglieder und Material an Bord der erst 2022 in Dienst gestellten F 225 „Rheinland-Pfalz“. Die F225 ist die jüngste der vier Fregatten.

    Bundeswehr/Alessandro Vollborth

Dabei ist die Nummer der Schiffsklasse aber nicht mit der am Rumpf angebrachten NATO-Kennung identisch. Die Fregatte „Baden-Württemberg“ beispielsweise ist das erste von vier Schiffen der Fregatten vom Typ F125 (Baden-Württemberg-Klasse), trägt aber die Rumpfnummer F222. Mit dieser kann das Schiff eindeutig identifiziert werden, sie gibt jedoch keine direkte Auskunft über die Modellreihe des Schiffes. So trägt die Fregatte „Nordrhein-Westfalen“ als zweites Schiff der Klasse F125 die Rumpfnummer F223, die dritte Fregatte „Sachsen-Anhalt“ die Rumpfnummer F224 und die vierte Fregatte „Rheinland-Pfalz“ schließlich die Rumpfnummer F225.

Wird eine Schiffsklasse nachträglich modernisiert, zeigt ein Buchstabe hinter der jeweiligen Schiffsklassennummer dies an. So ist etwa aus Zerstörern der Klasse 103 nach einer Aufwertung mit Radar und Raketen die Klasse 103A geworden. Nach weiteren Umbauten wurden sie Anfang der 2000er-Jahre als Zerstörer der Klasse 103B außer Dienst gestellt.

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