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Dossier So hilft die Bundeswehr

Krieg in der Ukraine

Gemeinsam stark: Unterstützen, Abschrecken, Verteidigen

Die NATO zeigt Flagge an ihrer Ostflanke und unterstützt die osteuropäischen Bündnispartner vor dem Hintergrund der russischen Aggression durch eine erhöhte multinationale Truppenpräsenz. Als Führungsnation und Truppensteller leistet Deutschland einen wichtigen Beitrag zur wirksamen Verteidigungsfähigkeit und glaubhaften Abschreckung in der Region. Beim Krieg in der Ukraine selbst hilft die Bundesrepublik mit Waffensystemen, Ersatzteilen, Munition und Ausbildung ukrainischer Soldaten.

Die Beistandsverpflichtung der NATO

Ein bewaffneter Angriff auf ein Mitglied der NATO gilt als Angriff auf alle NATO-Mitglieder. Das besagt Artikel 5 des Nordatlantikvertrages, der die gegenseitige Beistandspflicht der Bündnispartner im Verteidigungsfall festhält. Dass der gegenseitige Beistand kein Lippenbekenntnis ist, zeigen die multinationalen NATO-Verbände an der Ostflanke der Allianz.

Die Gründe für das NATO-Engagement in Osteuropa liegen in der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim durch Russland im Jahr 2014 sowie in der fortgesetzten Destabilisierung der Ostukraine in der Folgezeit. Der am 24. Februar 2022 begonnene Überfall Russlands auf die Ukraine hat die Lage nochmals verschärft.

Vor diesem Hintergrund hat die NATO bestehende Verteidigungs- und Abschreckungsmaßnahmen verstärkt und weitere aufgebaut. Alle Maßnahmen haben einen rein defensiven Charakter und dienen der Rückversicherung der ost- und südosteuropäischen NATO-Mitglieder.

„Wir helfen so lange, wie es nötig ist.“ Boris Pistorius, Verteidigungsminister

Engagement im Bündnis: Zeichen der Solidarität

Deutschland zeigt Solidarität im Bündnis und beteiligt sich maßgeblich an den NATO-Missionen zum Schutz der östlichen Bündnispartner. Dabei fließen Kräfte und Fähigkeiten von Luftwaffe, Heer, Marine, Streitkräftebasis und Sanitätsdienst in den deutschen Beitrag ein.

Bereits von Beginn an führt Deutschland die im Rahmen der enhanced Forward Presence (deutsch: Verstärkte Vornepräsenz) im Februar 2017 aufgestellte multinationale NATO-Battlegroup in Litauen. Auch die Mehrheit der Soldatinnen und Soldaten stammen aus der Bundeswehr. Als Reaktion auf den russischen Angriff auf die Ukraine wurde 2022 dabei die Zahl und der Umfang der eingesetzten Kräfte deutlich aufgestockt. Weitere beteiligte Nationen sind Belgien, Frankreich, Kroatien, Luxemburg, Niederlande, Norwegen und Tschechien.

Zusätzlich unterstützt Deutschland Litauen mit einem aufwuchsfähigem Brigadegefechtsstand. Das so genannte Forward Command Element bildet die Grundlage für die schnelle Verlegung und Einsatzbereitschaft von Verstärkungskräften und wurde im September 2022 aufgestellt. Es wird den so genannten enhanced Vigilance Activities der NATO (deutsch: Verstärkte Wachsamkeitsaktivitäten) zugeordnet, ist aber derzeit formal eine rein binationale Kooperation zwischen Deutschland und Litauen.

Die enhanced Vigilance Activities bündeln Rückversicherungsmaßnahmen in Ost- und Südosteuropa. Auch hieran beteiligt sich Deutschland und unterstützt seit März 2022 die Slowakei mit einem Flugabwehrverband und einer verstärkten Infanteriekompanie.

  • enhanced Forward Presence Litauen

    Seit sechs Jahren führt die Bundeswehr die multinationale Battlegroup Lithuania. Sie umfasst rund 1.700 Soldatinnen und Soldaten aus bis zu neun Nationen und sichert so das litauische Staatsgebiet nach dem Prinzip der kollektiven Verteidigung ab.

    Drei Soldaten knien am Boden vor einer Geländekarte in einem waldigen Gelände. Ein Soldat zeigt mit dem Finger auf etwas.
  • enhanced Vigilance Activities Slowakei

    eVAenhanced Vigilance Activities dient der Rückversicherung der südosteuropäischen NATO-Partner angesichts der russischen Aggression. Deutschland beteiligt sich dabei mit Luftverteidigungs- und Infanteriekräften an der neuen, multinationalen NATO-Präsenz in der Slowakei.

    Ein Launcher des Flugabwehrraketensystems Patriot steht im Gelände.
  • enhanced Vigilance Activities Litauen

    Deutschland unterstützt Litauen seit September 2022 zusätzlich mit einem Brigadegefechtsstand in Rukla. Die Brigade selbst verfügt über eine Stärke von rund 6.000 Soldatinnen und Soldaten und verlegt anteilig für Gefechtsübungen nach Litauen.

    Bewaffnete Soldaten fahren in einem mit Zweigen bedeckten Panzer durchs Gelände.
  • enhanced Vigilance Activities Polen

    Nach einem Raketeneinschlag auf polnischem Gebiet hat Deutschland Polen Unterstützung in der Flugabwehr zugesagt. Seit Januar 2023 sind PatriotPhased Array Tracking Radar to Intercept on Target-Systeme der Bundeswehr an der Grenze zur Ukraine stationiert.

    Auf einer Straße stehen die Fahrzeuge der Flugabwehrraketentruppe aufgereiht.
  • enhanced Air Policing Baltikum

    Die baltischen Staaten verfügen über keine eigene Luftwaffe. Der Schutz ihres Luftraums wird durch die NATO sichergestellt. Deutschland beteiligt sich seit 2014 jährlich für mindestens vier Monate an einem streitkräftegemeinsamen Einsatzkontingent.

    Ein Kampfflugzeug Eurofighter startet
  • enhanced Air Policing South Rumänien

    Auch das enhanced Air Policing South zählt zu den Rückversicherungsmaßnahmen an der NATO-Ostflanke. Turnusmäßig schützen deutsche und italienische Eurofighter gemeinsam den Luftraum über Rumänien.

    Ein Kampfflugzeug Eurofighter bei der Landung
  • NATO Response Force

    Mit der schnellen Eingreiftruppe NATO Response Force kann die NATO weltweit in kurzer Zeit auf Krisen und Konflikte reagieren. Sie ist multinational aufgestellt und umfasst rund 50.000 Einsatzkräfte unterschiedlicher Bereitschaftsgrade.

    Blick von oben auf einen asphaltierten Platz, auf dem viele Militärfahrzeuge stehen.

Seit Jahresbeginn 2023 unterstützt Deutschland zudem beim Schutz des polnischen Luftraumes mit drei Flugabwehrsystemen PatriotPhased Array Tracking Radar to Intercept on Target. Bereits seit dem NATO-Beitritt der baltischen Staaten im Jahr 2004 übernimmt die Luftwaffe im Wechsel mit anderen NATO-Staaten die multinationale Sicherung des Luftraumes Estlands, Lettlands und Litauens und stellt turnusmäßig Eurofighter für das enhanced Air Policing (deutsch: Verstärkte Luftraumüberwachung) im Baltikum bereit. Auch an der Mission enhanced Air Policing South, die im Februar 2022 kurz nach dem russischen Angriff auf die Ukraine zum Schutz des rumänischen Luftraums ins Leben gerufen wurde, beteiligte sich die Luftwaffe unter italienischer Führung.

Auch die schnelle Eingreiftruppe NATO Response Force (NRFNATO Response Force) kann zum Schutz der osteuropäischen Bündnispartner eingesetzt werden. Grundsätzlich ist sie weltweit einsatzfähig. Die NRFNATO Response Force umfasst rund 50.000 Soldatinnen und Soldaten der Land-, Luft- und Seestreitkräfte, Spezialkräfte sowie Unterstützungskräfte wie Sanitätsdienst und die Logistik. Davon stellt Deutschland bis Ende 2024 rund 16.700 Soldatinnen und Soldaten bereit. Noch bis Ende 2023 sind die deutschen Kräfte der höchsten Stufe der Einsatzbereitschaft zugeordnet, müssen also innerhalb von sieben Tagen verlegefähig sein. In Antwort auf die russische Aggression hatte General Tod D. Wolters in seiner Funktion als Oberbefehlshaber der NATO in Europa (SACEURSupreme Allied Commander Europe ) die Alarmierungszeiten für alle übrigen NRFNATO Response Force-Kräfte von 45 auf 30 Tage verringert und die VJTFVery High Readiness Joint Task Force (Very High Readiness Taskforce) Maritime, also die der Eingreiftruppe zugeordneten multinationalen Marineeinheiten, aktiviert. 

Ukraine und NATO stärken

Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine stärkt die NATO den ukrainischen Abwehrkampf mit Lieferungen von Waffen und Munition. Anfangs stand dabei die Lieferung von Panzern sowjetischer Bauart im Fokus. Streitkräfte ost- und südeuropäischer NATO-Bündnispartner, die diese noch in ihren Beständen haben, haben diese an die Ukraine abgegeben und erhalten dafür neuere Panzer aus westlicher Produktion im sogenannten Ringtausch. Die Idee: Die ukrainischen Streitkräfte erhalten ihnen vertraute Systeme und können sie ohne weiteren Ausbildungsbedarf im Gefecht einsetzen. Die Streitkräfte der NATO-Partner werden dagegen in der Erneuerung ihres Materials unterstützt. So wird die europäische Verteidigungsfähigkeit weiter gestärkt. 

Angesichts der veränderten Sicherheitslage will Deutschland seinen Verteidigungsetat auf mehr als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts erhöhen. Zudem wird die Bundeswehr einmalig mit einem Sondervermögen von 100 Milliarden Euro ausgestattet - für bessere Ausrüstung, modernes Einsatzgerät, mehr Personal.

Eine Grafik erklärt den Ringtausch mit der Ukraine.

Waffensysteme im Ringtausch: Panzer sowjetischer Bauart sind den ukrainischen Streitkräften vertraut und können ohne weiteren Ausbildungsbedarf sofort im Gefecht eingesetzt werden

Bundeswehr | Grafik: Astrid Höffling

Deutschland unterstützt im Rahmen des Ringtausches die europäischen Nationen, die Kampf- und Schützenpanzer sowjetischer Bauart an die Ukraine abgegeben haben, beim Wiederauffüllen ihrer Materiallücken. So erhält Griechenland 40 Schützenpanzer Marder, die Slowakei und Tschechien erhalten jeweils 15 oder 14 Kampfpanzer Leopard 2 A4. Slowenien bekommt 35 schwere Militärlastwagen und fünf Tankwagen aus deutscher Produktion. Das bereitgestellte Material stammt aus Bundeswehr- und Industriebeständen. Die Unterstützungsleistungen umfassen auch die Ausbildung am neuen Gerät, Munition und Ersatzteile.

Ukraine-Hilfe: Militärische Unterstützungsleistungen

Deutschland unterstützt die Ukraine mit Ausrüstungs- und Waffenlieferungen aus den Beständen der Bundeswehr sowie durch Lieferungen der Industrie. Art und Umfang des bereitgestellten Materials werden in Absprache und nach dem Bedarf der ukrainischen Streitkräfte regelmäßig angepasst und erweitert.

Ausbildungsunterstützung

Deutschland stellt nicht nur Waffensysteme wie Luftabwehr, Kampf- und Schützenpanzer bereit. Zum Unterstützungspaket für die ukrainischen Streitkräfte im Kampf gegen den Aggressor gehören auch Munition und Ersatzteile sowie eine einsatzorientierte Ausbildung an den Systemen. Denn nur gut geschulte Soldatinnen und Soldaten können die neuen Waffen wirksam gegen den Feind einsetzen.